piwik no script img

Gutes Leben im Mikrokosmos

Wasserball Der SV Poseidon Hamburg ergattert trotz Randsport-Dasein und Mini-Etat gute Spieler aus dem Ausland. Das liegt nicht am hohen Spielniveau, sondern vor allem an niedriger Arbeitslosigkeit

Claudio Sambito mochte nicht mehr warten. Sicher, einiges deutete auf Besserung hin. Erstmals nach sieben Jahren war 2015 die Arbeitslosigkeit in seinem Geburtsland Italien gesunken, von 12,7 auf 11,9 Prozent und auch 2016 setzte sich dieser Trend fort. Für ihn persönlich blieb die Suche nach einem Job aber extrem schwierig. Der 28 Jahre alte Architekt mit Masterabschluss kam im vergangenen Sommer zu dem Schluss, dass er seine Fähigkeiten dort offerieren müsse, wo es eine Nachfrage gibt.

Wenige Tage später las Florian Lemke, Trainer des Wasserball-Bundesliga-Neulings SV Poseidon Hamburg eine E-Mail mit dem Absender „Claudio Sambito“. Der Centerverteidiger mit Erfahrung in der starken italienischen Ersten Liga teilte darin mit, dass er vom Zweitligisten Waterpolo Palermo gerne zu Poseidon wechseln würde. Sambito fragte, ob der Verein ihm in Hamburg einen Job als Architekt vermitteln könne.

„Wir konnten. Claudio ist ein echter Glücksgriff, da er auf uns zugekommen ist“, sagt Lemke. Da Wasserball in Deutschland ein absolutes Randsport-Dasein fristet und Vereine wie Poseidon nur über einen schmalen Saison­etat verfügen, ist das gute wirtschaftliche Umfeld in Deutschland eine Trumpfkarte bei der Verpflichtung von Spielern.

„Es gibt bei uns kein Geld zu verdienen“, sagt Poseidon-Wasserballwart Lars Hinkelmann. Der Etat des Teams liegt nur bei rund 60.000 Euro. „Aber wir können dabei helfen, Jobs zu finden“, so Hinkelmann.

Viel schwieriger gestaltet sich die Suche nach Sponsoren. Im Fernsehen findet der Sport praktisch nicht statt. Während Moderne Fünfkämpfer, Sportschützen oder Judokas zumindest alle vier Jahre bei den Olympischen Spielen ihre Übertragungszeiten erhalten, findet Wasserball selbst dann nur mit wenigen Sekunden im Nachrichtenblock Erwähnung. Deutschland ist bei großen Turnieren kaum noch dabei. Ungarn, Serbien, Kroatien und Italien bilden die Spitze.

Während das große Ganze frustrierend ist, lässt es sich für die Wasserballer in ihrem Mikrokosmos ganz gut leben. Poseidon ist nach dem Bundesliga-Aufstieg im vergangenen Sommer in einer guten Position, ihr großes Ziel zu erreichen: das Dasein als Fahrstuhlmannschaft abzulegen. Sowohl 2008 als auch 2010 ging es für das Bundesliga-Gründungsmitglied nach dem Aufstieg gleich wieder runter in die Zweite Liga.

Nun sieht die Lage besser aus, gerade nach den Ergebnissen am Wochenende. Nach den Heimspiel-Siegen gegen den SV Würzburg 05 mit 19:11 und SV Krefeld 72 mit 7:4 stehen die Hamburger in der Tabelle der Hauptrunde B als Fünfter gut da. Zwei Vereine müssen sie für den Klassenerhalt hinter sich lassen – das ist zurzeit der Fall.

„Wir haben in dieser Saison durch Naivität schon Lehrgeld gezahlt“, sagte Trainer Lemke. „Das wird uns in der nächsten Saison nicht mehr passieren.“ Zweifel am Verbleib in der Bundesliga? „Nee, wirklich nicht. Die Qualität ist da, wir können jede Mannschaft schlagen. Wenn es zum Showdown kommt, sind wir in der Breite stärker.“ gör

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen