piwik no script img

PortraitDas Symbol

Behindert die nonverbale Kommunikation: Nikab Foto: dpa

Wie sie aussieht, wissen nur ihre Familie und ihre Freundinnen, sonst kaum jemand. Dabei hat die Zehntklässlerin der niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) eine Rücktrittsforderung eingebracht und sie beschäftigt einen Ausschuss des Landtages.

Die Schülerin trägt seit der achten Klasse einen Nikab, ein Kopftuch, das nur einen Schlitz für die Augen frei lässt, und den sie nur abnimmt, wenn keine Männer zugegen sind. Die Schule hat vergeblich versucht, das Mädchen dazu zu bewegen, ihr Gesicht zu zeigen. Am Ende duldete sie das muslimisch motivierte Kleidungsstück.

Erst vergangenes Jahr ist der Fall bekannt geworden. Wer unter dem Schleier steckt, welche Wünsche und Ziele die Schülerin hat, war in der Öffentlichkeit zweitrangig. Das Mädchen wurde zum Symbol in einer Debatte über den Umgang mit den Ansprüchen der Religionen und zu einer Gelegenheit für die niedersächsische CDU, ihr Profil zu schärfen. Diese warf Heiligenstadt vor, das Schulgesetz gebrochen und ihren Amtseid verletzt zu haben. Sie beantragten, der Landtag möge die Ministerin verklagen. Das Thema wurde am Dienstag im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen verhandelt.

Dabei sind sich bei der Interpretation des einschlägigen Schulgesetzparagrafen 58 alle einig. Darin heißt es: „Schülerinnen sind verpflichtet, regelmäßig am Unterricht teilzunehmen.“ Das sei bei einer Vollverschleierung nicht möglich, weil dabei die Mimik der Schülerin nicht zu erkennen sei, räumte Staatssekretärin Erika Huxhold (SPD) im Landtag ein.

Trotzdem will das Ministerium das Mädchen seinen Abschluss machen lassen. Es genieße Vertrauensschutz, weil es ja einige Jahre lang den Nikab getragen habe, ohne der Schule verwiesen worden zu sein. Aus dieser Zeit sei sie ihren MitschülerInnen bekannt. Den Schulfrieden habe sie nicht gestört.

Nach Ansicht des CDU-Abgeordneten Jens Nacke steht das Mädchen symbolisch für die falsch verstandene Toleranz von Rot-Grün. Denn entweder fühle sie sich durch ihr Umfeld gezwungen, den Nikab zu tragen; oder sie trage diesen freiwillig, dann wäre sie Islamistin und müsse wie ihre Familie beobachtet werden. knö

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen