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heute in Bremen„Marokko ist kein Vorbild“

taz salon Die taz stellt Ergebnisse ihrer Recherchen zur europäischen Migrationskontrolle vor

Nina Violetta Schwarz

32, Ethnologin, aktiv im Netzwerk kritische Migrations- und Grenzregimeforschung.

taz: Frau Schwarz, welche Rolle spielt Marokko in der EU-Migrationspolitik?

Nina Violetta Schwarz: Marokko gilt als Musterbeispiel für Migrationspolitik in Afrika. Auf Hinwirken der EU wurde die Grenzsicherung stark ausgebaut, ferner hat Marokko sich zur Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern verpflichtet. Die nationale Migrationsstrategie, die das Königreich 2013 verkündete, sieht außerdem die Entwicklung vom Transitland zum Zielland vor.

Was sind die Vorteile des Landes aus der Zusammenarbeit mit der EU?

Durch die Kooperation kann Marokko in anderen Konflikten die Migrationskarte spielen. Sei es das Freihandelsabkommen oder die Beziehung zur Westsahara: Marokkos Verhandlungsmacht ist durch seine EU freundliche Migrationspolitik erhöht.

Wird Marokko seiner Rolle als Vorbild gerecht?

Nein, überhaupt nicht. Es gibt kein staatliches Aufnahme­system, geschweige denn Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem für Geflüchtete. Für Migrantinnen aus West- und Zentralafrika sind die Bedingungen in Marokko haarsträubend. Im Norden kommt es häufig zu Razzien oder Räumungen. Dabei werden auch Migranten, die über Papiere verfügen, in den Süden des Landes abgeschoben. Es ist absurd, dass die Bundesregierung trotz dieser Praxis in Integrations­programme in Marokko investiert.

Können diese Programme Migrationsbewegungen in die EU verhindern?

Die Programme sind auch nur eine weiche Form der Grenzsicherung. Es werden zwar mehr Menschen in Marokko bleiben, aber es wird ihnen nicht besser gehen, da die Lebensbedingungen vor Ort weiterhin schlecht sind. Trotz der europäischen Bemühungen wird es weiterhin illegale Migration geben. Eine Verstärkung der Grenzsicherung macht die Flucht für die Afrikaner noch beschwerlicher und es werden noch mehr Menschen auf der Flucht ums Leben kommen.

Was sollte stattdessen geschehen?

Es müssen sichere Fluchtwege und legale Einreisemöglichkeiten geschaffen werden, um das Sterben von Menschen auf der Flucht zu verhindern.

Interview: Vanessa Reiber

19 Uhr, Kioto im Kulturzentrum Lagerhaus, Schildstraße 12-19

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