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Ralf Sotscheck über die Regierungskrise in NordirlandAlles andere als normal

Lange Zeit war Nordirland aus den internationalen Medien verschwunden. Der Friedensprozess, der in das Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 mündete, schien erfolgreich. Bei genauerem Hinsehen konnte man jedoch feststellen, dass die Situation nach wie vor brisant war. So wurden die Mauern, die protestantische und katholische Arbeiterviertel in Belfast trennten, erhöht statt abgebaut, und es kamen neue hinzu.

Von „normaler Politik“ ist Nordirland immer noch weit entfernt. Schon die Konstruktion der Regierung, an der alle Parteien mit mindestens neun Abgeordneten beteiligt sein müssen, ist alles andere als gewöhnlich. Eine in anderen Ländern übliche Regierungsbildung ist in Nordirland jedoch unmöglich. Die über Jahrzehnte rücksichtslose Mehrheitsregierung der protestantischen Parteien auf Kosten der Katholiken hat den Konflikt schließlich ausgelöst.

Die Democratic Unionist Party (DUP) der Premierministerin Arlene Foster scheint den Zeiten protestantischer Hegemonie nachzutrauern. Ihr Umgang mit dem katholisch-nationalistischen Regierungspartner Sinn Féin ist herablassend bis konfrontativ. Theoretisch sind die Premierministerin und ihr Stellvertreter gleichberechtigt, doch Foster hat das nie ernst genommen. Die Forderung nach ihrem vorübergehenden Rücktritt, um eine unabhängige Untersuchung des von ihr zu verantwortenden Fiaskos mit erneuerbaren Energien zu ermöglichen, tat sie als „Angsthasenspiel“ ab.

McGuinness’ Rücktritt war die logische Konsequenz. Der nun anstehende Wahlkampf wird unter Beschwörung der alten Feindbilder geführt werden. Das Problem, das McGuinness zum Rücktritt bewog, ist durch Wahlen aber nicht aus der Welt. Danach müssen sich Sinn Féin und die DUP wieder zu einer Regierung zusammenraufen, was Monate dauern kann.

Wenigstens ist ein erneutes Aufflammen des Krieges nicht zu befürchten. Dafür gibt es keine Unterstützung in der Bevölkerung.

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