Eric Bonse über die Nachfolge von Parlamentspräsident Schulz: In der Kungelfalle
Normalerweise hält Manfred Weber nicht viel von Leaks. Auf die Enthüllungen zu den Steuerskandalen in Luxemburg und Panama hat der CSU-Europapolitiker – um es mal vorsichtig auszudrücken – zurückhaltend reagiert. Dass er nun selbst zum Whistleblower wurde und eine vertrauliche Vereinbarung aus dem Europaparlament öffentlich machte, zeigt, dass Weber mit seinem Latein am Ende ist.
Dabei geht es nur vordergründig um die Kungelei der Großen Koalition in Straßburg. Webers Konservative aus der EVP, Sozialdemokraten und Liberale hatten vereinbart, dass nach dem Abgang von Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) ein EVP-Mann das Ruder übernehmen soll.
Diese Absprache haben Sozialdemokraten und Liberale gebrochen. Verständlich, dass sich Weber darüber aufregt. Doch statt die Kungelvereinbarung nun seinerseits zu kündigen und fortan auf Transparenz und Dialog zu setzen, schlägt Weber wild um sich.
Wer sich dem Geheimbund mit der EVP verweigere, sei schuld am Aufstieg von Populisten und „Kommunisten“, schimpfte er bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Nur die G-5 – eine weitere Kungelrunde mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker – könne Europa retten.
Dabei ist es doch genau andersherum: Die Kungelrunden und Geheimabsprachen sind das Problem. Sie verhindern, dass das Europaparlament seine Rolle als demokratisches Kontrollorgan wahrnehmen kann. Sie treiben den Populisten und EU-Gegnern immer neue Anhänger zu.
In Wahrheit geht es Weber denn auch um etwas ganz anderes: Er will seinen Kandidaten für die Schulz-Nachfolge retten. Doch der Italiener Antonio Tajani ist ein Spezi des ehemaligen italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi. Selbst für viele EVP-Abgeordnete ist Tajani nicht wählbar. Weber hätte ihn verhindern können, ja müssen – nun sitzt er in der Kungelfalle.
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