: Eine Schulinsel mitten im Wedding
BILDUNG Bürgerplattform Wedding/Moabit will Schule gründen und vielleicht schon 2013 starten
Lee Schneider, Pastorin der Freien Nazarethkirche am Weddinger Leopoldplatz, erklärt es gleich zu Beginn des Abends: „Wir wissen, es ist nicht normal, dass Vertreter von Kirchen und Moscheen gemeinsame Sache machen. Aber so sind wir von der Bürgerplattform – nur gemeinsam sind wir stark.“
Tatsächlich: Das Schlagwort vom Reichtum durch Vielfalt wird bei der Veranstaltung der Bürgerplattform Wedding/Moabit lebendig. Fast 40 Gruppen umfasst das Netzwerk, der Deutschsprachige Muslimkreis ist ebenso dabei wie der Roma Kultur Rad e. V., die Stadtmission oder der Verein Selbsthilfe im Vorruhestand.
Die Bürgerplattform gibt es seit 2008. Schnell entstand ein Schwerpunkt der gemeinsamen Arbeit im Kiez: bessere Bildung und Berufschancen für Jugendliche. Die Kooperation mit der staatlichen Gemeinschaftsschule Mitte ist ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeit, der auch weitergehen soll. Doch die Bürgerplattform ist überzeugt, dass sich ihr Engagement nur in einer vom Staat unabhängigen Schule wirklich entfalten kann. So entstand die Idee zur Freien Bürgerschule Wedding. „Wir wollen da ansetzen, wo das Problem am größten ist: bei den Kindern und Jugendlichen ab der 7. Klasse“, erklärt Evi Witten vom Aktionsteam Bildung.
Privat soll die Oberschule sein, aber kein Schulgeld erheben, sondern sich durch Spenden von Stiftungen und Firmen finanzieren. Das Ziel: eine aus dem Kiez heraus entstandene Schule, in der Bildung weder von staatlichen Vorgaben noch vom Geld der Eltern abhängt.
Die Begeisterung für die Idee ist groß – zumindest bei der Bürgerplattform. Christian Hanke, Bezirksbürgermeister von Mitte, sowie Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (beide SPD) lassen sich von dem Enthusiasmus nicht ganz so mitreißen. Hanke findet es am Mittwochabend zwar „klasse, dass Sie sich gemeinsam Gedanken machen“. Er betont aber, dass er dieses Engagement lieber an öffentlichen Schulen sähe: „Ich warne vor einem Rückzug ins Private“.
Kritik von der SPD
Die symbolische Unterschrift der UnterstützerInnen möchten beide nicht abgeben. Rackles verweist auf das Genehmigungsverfahren, das die Schulgründung erst einmal durchlaufen müsse. Hanke äußert auch inhaltliche Kritik: „Mir ist nicht klar, was das Besondere an Ihrem Konzept ist. Ich bin nicht davon überzeugt“.
Die Bürgerplattform lässt sich davon nicht abschrecken: „Wir gründen diese Schule so oder so“, sagt Witten. „Dem Land Berlin geben wir die Chance, dieses einzigartige Pilotprojekt zu unterstützen – schade, wenn das nicht angenommen würde.“ Abdul Razzaque, ebenfalls im Aktionsteam Bildung und Vorsitzender der Initiative Berliner Muslime, erklärt das Problem: Fast 40 Prozent der Weddinger Schüler verließen die Schule ohne Abschluss. „Das ist ein Skandal, den wir nicht hinnehmen“, sagt er.
Mit zwei siebten Klassen will die Schule starten, vielleicht sogar schon zum nächsten Schuljahr. MALENE GÜRGEN
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