Frauenschutz: „Sie haben kein Hilfenetz“
Das erste Schutzhaus für geflüchtete Frauen in Sachsen hat am 1. Dezember in Leipzig eröffnet. Keine drei Wochen später ist es fast voll. Für diese Frauen und oftmals auch deren Kinder bedeutet die Unterbringung nicht nur Schutz, sondern spezielle Hilfe bei speziellen Problemen. Wie die aussieht, erklärt Gesine Märtens vom Trägerverein „Frauen für Frauen“.
taz: Frau Märtens, warum ist es gut, dass es dieses Schutzhaus speziell für geflüchtete Frauen gibt?
Gesine Märtens: Viele Frauenschutzeinrichtungen in Sachsen sind mit der Aufnahme von Geflüchteten zwangsläufig überfordert, besonders in den ländlichen Regionen. Spezialisierte Hilfe können nur wir als Großstadt leisten. Wenn eine afghanische Frau zum Beispiel nicht nur kein Englisch spricht, sondern ausschließlich den speziellen Dialekt ihres Heimatortes und obendrein weder lesen noch schreiben kann, ist das eine Herausforderung. Wir sind da sehr gut aufgestellt, und gegebenenfalls können wir schnell handeln und Unterstützung aus Berlin holen.
Sind die Probleme geflüchteter Frauen andere als bei den Frauen, die von hier stammen?
Geflüchtete Frauen verfügen bei uns über kein Hilfenetz, also keine Freundinnen, Mütter, Väter oder andere Kontakte. Sie haben keine Möglichkeit zu verschwinden, weil sie an den zugewiesenen Wohnort gebunden sind. Viele fürchten, dass Trennung von ihrem Partner bedeutet, sich von der gesamten Familie und ihrem Clan loszusagen und nie wieder zurückkehren zu können.
Kann auch die Fluchtgeschichte Auslöser für die Konflikte innerhalb der Beziehungen sein?
Nicht alle Frauen sind freiwillig geflohen. Es gibt nicht wenige Männer, die heimlich Rückführungsanträge für ihre Frauen stellen, weil ihnen das Leben in Deutschland zu westlich und ehrlos erscheint. Aber natürlich gibt es auch die klassische Beziehungsgewalt. Die kann aus patriarchalen Denkmustern entstehen, aus Machtansprüchen oder aus der jeweiligen Beziehungsdynamik, wie bei uns auch. Jede vierte deutsche Frau erlebt einmal in ihrem Leben Gewalt durch ihren Partner. Da müssen wir nicht über diesen kleinen Teil in unserer Gesellschaft gesondert sprechen. INTERVIEW HANNA VOSS
Betroffene Frauen erreichen das Leipziger Frauenhaus unter: 0341-4798179. Frauen können sich außerdem an das bundesweite Hilfetelefon wenden: 08000-116016. Die sächsische Beratungsstelle ist unter 0341-44238229 erreichbar.
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