Kommentar Referendum in Italien: Calmatevi!
Das Votum der Italiener ist kein Sieg der Populisten und keine Absage an die Demokratie. Wer vor Europas Untergang warnt, macht Panik.
Erst der Brexit, dann Donald Trumps Triumph und nun das Referendum in Italien – wer will, kann es sich einfach machen und mit dem italienischen Votum vom Sonntag erneut die Populisten auf dem Vormarsch sehen. Jene Wähler, die gegen die Globalisierung und die offene Gesellschaft wüten, die es deshalb „dem Establishment“ zeigen wollen.
Doch so einfach liegen die Dinge diesmal nicht. Das beginnt schon damit, dass die Voten in Großbritannien und in den USA von dem Wunsch getragen wurden, radikale Änderungen herbeizuführen, während die italienischen Nein-Wähler dafür stimmten, dass alles so bleibt wie es ist, dass an ihre seit fast 70 Jahren gültige Verfassung nicht Hand angelegt wird.
Auch der Blick auf die Wählerschaft zeigt markante Unterschiede. Von einer Trennung zwischen Stadt und Land, zwischen einer weltoffenen jungen Generation und den eher auf Abschottung setzenden Älteren, findet sich in Italien keine Spur. Im Gegenteil: Matteo Renzi konnte nur bei den Rentnern punkten, während die Jungwähler zuhauf mit Nein stimmten.
Überraschend ist das nicht, denn die Bürger votierten ja keineswegs über einen Italexit, über ein Ja oder Nein zur EU oder zum Euro, über Öffnung oder Abschottung. Den einen missfiel die Verfassungsreform, den anderen ihr Regierungschef, doch in der Referendumskampagne drehten sich die Debatten kaum um Europa.
Insofern sind alle jene Szenarien fehl am Platz, die davon ausgehen, jetzt komme großes Unheil auf die EU zu und womöglich seien in Rom bald – nach den früher oder später anstehenden Neuwahlen – die euro-skeptischen „Fünf Sterne“ unter Beppe Grillo am Ruder.
Ihr schneller Durchmarsch wird durch den Ausgang des Referendums nicht begünstigt, sondern verhindert. Denn Renzis Reform hätte alle Macht dem Abgeordnetenhaus gegeben und den Senat entmachtet. Mehr noch: Mit der parallel von Renzis Regierungskoalition verabschiedeten Wahlrechtsreform hätte die stärkste Partei automatisch die absolute Mehrheit der Sitze im Abgeordnetenhaus erhalten, auch wenn sie im ersten Wahlgang nur 25 Prozent der Stimmen der Bürger auf sich vereinigt hätte.
Dieses Modell ist jetzt vom Tisch – und damit auch das realistische Szenario einer Regierung Grillo. Wer in Brüssel oder Berlin Angst vor politischen Abenteuern in Rom hatte, kann heute also gelassener sein als bei einem Sieg des Ja. Renzis Reform hätte den Sprung ins Ungewisse bedeutet, jetzt dagegen bleibt erst einmal alles wie gehabt. Ein Weltuntergang ist das nicht.
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