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Die Lust am Untergang

Kommentar

von Stefan Alberti

SPD und CDU torpedieren ihre Chefs

Es muss die Lust am eigenen Untergang sein, die manche Mitglieder von SPD und CDU umtreibt. Oder genauer: Lust am Untergang der Partei. Denn wie jetzt beim CDU-Parteitag und im SPD-Landesvorstand die eigenen Vorzeigefiguren zu schwächen, widerspricht jeglichem Interesse, eine Talfahrt zu stoppen. In der befinden sich nämlich beide Parteien, die ja mit historischen Tiefstwerten von 21,6 und 17,6 Prozent bei der Abgeordnetenhauswahl nicht weit auseinanderlagen. Bei der SPD fällt das bloß weniger ins Auge, weil sie trotz großer Verluste weiterregieren darf.

Immer wieder ist zu hören, die Bürger seien Gezänk leid, egal ob im Senat oder parteiintern. Geschlossen aufzutreten soll die Lehre daraus sein? Fehlanzeige. Natürlich kann eine CDU auch ihrer vermeintlichen Heilsbringerin Monika Grütters den gewünschten Generalsekretär verweigern. Es stellt sich bloß die Frage: Warum hat diese Partei dann keine Stunde zuvor genau diese Frau gewählt? Warum sie zur Chefin machen und ihr dann das Personal verweigern, das sie für die dringend nötige Neuausrichtung der CDU für unabdingbar hält? Was ist das für eine Partei, in der keiner vor der geheimen Abstimmung aufsteht und offen Kritik äußert?

Die SPD wiederum hat Michael Müller auch erst im Frühjahr zum Parteichef und zum Spitzenkandidaten gewählt. Sie hat nach dem enttäuschenden Wahlergebnis an ihm festgehalten, sie hält ihn demnach also durchaus für den, der am ehesten eine Kehrtwende hinkriegen kann. Doch statt ihn auch allein entscheiden zu lassen, mit wem er das angeht, im Senat wie in der SPD-Zentrale mit der Position des Landesgeschäftsführers, grätscht ihm die Partei rein. Kann sie gern machen – aber was ist ein Vorsitzender dann noch mehr als ein bloßer Sitzungsleiter und Grüßonkel? Es geht ja nicht darum, einen Diktator zu installieren – in der römischen Republik übrigens ein Wahlamt mit uneingeschränkten Vollmachten für Krisenzeiten –, sondern um bloße Konsequenz. Ob bewusst oder aus Dummheit: Ihr jetziger Weg führt CDU und SPD nur noch weiter nach unten.

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