Protestbündnis ohne Räume: Angst vor Linksradikalen
AktivistInnen wollen an einer Hamburger Hochschule zum Protest gegen den G20-Gipfel tagen. Am Dienstag kündigte ihnen das Präsidium kurzfristig die Räume
HAMBURG taz | Vier Tage vor der Aktionskonferenz gegen den im kommenden Juli in Hamburg geplanten G20-Gipfel müssen sich die VeranstalterInnen nach alternativen Räumen umsehen: Am Dienstag hat die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) dem Asta den Mietvertrag für die Räume gekündigt. Der Grund seien „Sicherheitsbedenken“, sagte der Präsidiumssprecher Matthias Echterhagen der taz.
Der Asta sieht in der Absage einen „politischen Skandal“ und einen „Angriff auf die freie Debattenkultur“. Noch am Montag habe das Präsidium versichert, die Konferenz könne wie geplant stattfinden. Am Dienstag erfuhr Asta-Sprecher Christoffer Bethmann von der Kündigung – nicht etwa vom Präsidium, sondern vom Hamburger Abendblatt. Ein Journalist hatte den Präsidenten Claus-Dieter Wacker und die Behörde für Wissenschaft gefragt, ob sie wüssten, dass zwei der Gruppen, die zur Konferenz einladen, im Verfassungsschutzbericht auftauchen: Die Interventionistische Linke (IL) und das Projekt Revolutionäre Perspektive (PRP).
Die Presseanfrage gab auch den Anstoß für den Meinungswechsel beim Präsidium. „Der HAW ist aufgrund der Presseanfrage bekannt, dass der Verfassungsschutz die Mitveranstalter IL und PRP zu den „gewaltbereiten Linksextremisten“ zählt“, steht in der Kündigung, die der taz vorliegt. Bei Abschluss des Mietvertrags sei noch nicht klar gewesen, dass diese Gruppen nicht nur teilnähmen, sondern auch zu der Konferenz aufriefen, so Echterhagen.
Als weiteren Kündigungsgrund nennt Wacker in dem Schreiben einen möglichen Zusammenhang der Gruppen mit dem Anschlag auf die Messehallen in der Nacht zum Sonntag. Unbekannte hatten Steine auf den Gipfeltagungsort geschmissen und Barrikaden in Brand gesetzt.
Die Konferenz gegen den G20-Gipfel findet am 3. und 4. Dezember in Hamburg statt – an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften oder anderswo.
Ziel ist es, den Protest gegen den Gipfel am 7. und 8. Juli 2017 zu koordinieren: Die AktivistInnen planen einen Dreiklang aus Großdemonstrationen, einem Gegengipfel und dezentralen Aktionen in der ganzen Stadt.
Es laden ein: Der Asta der HAW, das Netzwerk Recht auf Stadt, Gegenstrom/Ende Gelände, Interventionistische Linke, Verband der Studierenden aus Kurdistan, Projekt Revolutionäre Linke, Gruppe für den organisierten Widerspruch und weitere Organisationen.
Dabei ist völlig unklar, wer den Anschlag verübt hat. Außer einem anonymen Bekennerschreiben gibt es bisher laut Polizei keine Hinweise auf die TäterInnen. Echterhagen: „Ein Zusammenhang ist nicht zwingend. Die Entscheidung ist präventiv: Es muss sichergestellt bleiben, dass alle Veranstaltungen friedlich ablaufen.“
Nico Berg, Sprecher der Interventionistischen Linken, nennt den Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Messe eine „postfaktische Unterstellung“. „Das Präsidium kehrt die Beweislast um und versucht uns in Erklärungsnot zu bringen“, sagt er. So solle der Diskurs umgedreht werden – letztlich werde dann nur noch über brennende Mülltonnen geredet, statt über Inhalte des Protests.
Dahinter stünden der Senat und die Polizeiführung, die Druck auf die HAW ausgeübt hätten. „Der Senat merkt: Niemand will den G20-Gipfel. Und er weiß sich nicht anders zu helfen, als den Protest im Keim zu ersticken.“ Sprecher Echterhagen weist den Vorwurf zurück. Eine Einwirkung auf das Präsidium könne er „ausschließen“.
Die Wissenschaftsbehörde unter Leitung von Katharina Fegebank (Grüne) stellt sich hinter die HAW: „Die Entscheidung respektieren wir und finden sie nachvollziehbar“, sagt Sprecherin Julia Offen. Die Linke-Bürgerschaftsabgeordnete Cansu Özdemir wundert das: Schließlich seien die Grünen Teil des zivilgesellschaftlichen Aktionsbündnisses gegen G20 und planten, sich in den Gegengipfel einzubringen.
Der Asta prüft rechtliche Schritte gegen die Kündigung. Sprecher Bethmann wirft dem Präsidium vor, den Dialog zu verweigern – vergeblich versuche er, das Präsidium zu erreichen. Das nennt er „einer Demokratie nicht würdig“. Die Konferenz soll nun zur Not in anderen Räumen stattfinden.
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