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Streit über ListenplätzeDer Aufstand der CDU-Frauen

Weil Hamburgs CDU nur männliche Kandidaten auf die aussichtsreichen Plätze ihrer Bundestagsliste heben will, kündigen CDU-Frauen Widerstand an

Platz wäre da noch: für die Frauen der CDU Foto: Bodo Marks/dpa

HAMBURG taz | Die Hamburger CDU-Frauen gehen in die Offensive. Weil die Union an der Alster mit einer Kandidatenliste in die Bundestagswahl ziehen soll, auf deren ersten vier Plätzen sich keine Frau befindet, kündigen sie eine Kampfkandidatur um den dritten Listenplatz an – und werfen CDU-Chef Roland Heintze eine eklatante „Führungsschwäche“ vor. Für die Bürgerschaftsabgeordnete und stellvertretende Parteichefin Birgit Stöver ist der vorliegende Wahlvorschlag „nicht hinnehmbar“.

Am 19. November hatte der sogenannte „17er-Wahlausschuss“, in dem das – vorwiegend männliche – Führungspersonal der Partei versammelt ist, den Wahlvorschlag unterbreitet, über den kommenden Donnerstag die Parteidelegierten abstimmen müssen. Ganz vorne auf der Liste rangieren die sechs Direktkandidaten der Hamburger Bundestagswahlkreise, unter denen mit der Bundestagsabgeordneten Herlind Gundelach nur eine Frau ist.

Obwohl das Bundesstatut der CDU vorschreibt, „unter drei aufeinander folgenden Listenplätzen jeweils mindestens eine Frau“ vorzuschlagen, wurde Gundelach nur auf den unsicheren Listenplatz fünf gesetzt. Vor vier Jahren hatte sie noch auf Platz drei gestanden. Doch da nach Auffassung der Kommissionsmehrheit ihre Parlamentstätigkeit öffentlich zu wenig sichtbar ist, wurde die 67-Jährige degradiert.

„Die Kommission hat die Parteistatuten missachtet und ihre Aufgabe nicht erfüllt“, poltert nun Stöver. „Das ist vollkommen unverständlich.“ Wie groß „die Empörung in der Partei“ ist, zeigt für Stöver, dass einen offenen Brief an den CDU-Landesvorstand, in dem die Empfehlung harsch kritisiert wird, inzwischen über 200 CDU-Mitglieder und Parteifunktionäre unterzeichnet haben. Darunter befinden sich der Vizepräsident der Bürgerschaft und ehemaliger Vizebürgermeister Dietrich Wersich, einige Bürgerschaftsabgeordnete und die früheren Staatsräte Reinhard Behrens und Angelika Kempfert.

CDU-Männerüberschuss

Der Männerüberschuss der Hamburger CDU geht durch alle Gremien: Der Parteichef, der Fraktionsvorsitzende, die sieben Kreischefs und auch die sieben Fraktionsvorsitzenden in den Bezirksversammlungen – allesamt Männer.

Nur Männer sind auch an der Spitze der Jungen Union, des CDU-Wirtschaftsrates und des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA zu finden.

20 Bürgerschaftsabgeordnete hat die CDU in Hamburg. Darunter sind immerhin drei Frauen, darunter Karin Prien und Birgit Stöver. Die dritte im Bunde heißt Franziska Grunwald.

Stöver und ihre Mitstreiterinnen, die Abgeordnete Karin Prien und die Chefin der Hamburger Frauen-Union, Marita Meyer-Kainer, erwarten nun „eine Korrektur dieser Liste spätestens auf der entscheidenden Landesvertreterversammlung“, besser aber schon früher. Das Trio drängt Parteichef Heintze, von dem es „mehr Führungsstärke“ erwartet hätte, den Wahlausschuss erneut einzuberufen und Gundelach wieder auf Listenplatz drei zu heben. „Das wäre die beste Lösung“, glaubt Meyer-Kainer.

Gundelach hat schon ihre Bereitschaft signalisiert, eine Kampfkandidatur in Aussicht gestellt und gedroht: „Die Entscheidung war ein eklatanter Fehler, der der CDU noch weh tun wird.“ „Herlind Gundelach ist unsere Kandidatin, wir rechnen fest mit ihr“, sagt Karin Prien, und fügt hinzu: „Doch auch wenn sie nicht antritt, wird eine Frau für Platz drei kandidieren – es gibt einen Plan B.“ Klar ist dabei, dass neben Gundelach nur eine der drei Frauen infrage kommt, die hier gerade den Protest organisieren.

Kurios: Marita Meyer-Kainer, die heute vehement gegen den Wahlvorschlag kämpft, hatte selbst der 17er-Kommission angehört, die ihn beschlossen hat. Ihre Enthaltung bei der Sitzung am Mittwoch erklärt sie mit taktischen Motiven, betont aber, dass sie das Gremium mehrfach eindringlich vor seiner dann getroffenen Entscheidung gewarnt habe.

Dieser Darstellung widerspricht allerdings der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Jörg Hamann, der ebenfalls der Kommission angehört hatte. Vor versammelter Presseschar fuhr er aus der Haut und fauchte die Chefin der Frauen-Union an: „Von all dem, was Sie hier erzählen, habe ich auf der Sitzung nichts gehört!“

Das Frauenthema bei der CDU – reine Nervensache.

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2 Kommentare

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  • Und für den Plan B steht Frau Meyer Kainer ( " taktische Motive " für eine Stimmenthaltung und anschliessendes Motzen ) mehr als gern bereit.

    Und gönnen wir ihr doch die Kandidatur, nachdem sie 2008, 2011 und 2014 bei der Bürgerschaftswahl durchgefallen ist, wie sie auch 2011 bei der Wahl zum CDU Landesvorsitz mit Pauken und Trompeten durchfiel.

    Denn sie geht seit Jahrzehnten keiner geregelten Erwerbstätigkeit nach und muss als

    treue Parteisoldatin unbedingt versorgt werden.

    • @Wahrheitundklarheit:

      Pardon, ich muss mich korrigieren:

      Frau Meyer Kainer fiel 2015 bei der Bürgerschaftswahl durch.

      Aber auch bei der Bundestagswahl 2013.

      Und versorgt werden will sie, weil sie

      angesichts ihrer Erwerbsbiographie versorgt sein muss.

      Besser gesagt: müsste.