„Tatort“-Experte zur 1000. Folge: „Genuschel ohne Sinn und Verstand“
François Werner behauptet von sich, jeden „Tatort“ mindestens einmal gesehen zu haben. Auf einige hätte er aber gut und gerne verzichten können.
taz: Herr Werner, 13 Millionen schalten durchschnittlich ein, wenn die Kommissare Thiel und Boerne in Münster ermitteln. Der erste Hamburger „Tatort“ mit Til Schweiger zog Millionen vor den Fernseher. Kritiker sagen, der Grund sei ein Mehr an Klamauk und Ballerei. Ist das noch „Tatort“?
François Werner: Klar, gerade die Vielfältigkeit zeichnet den sonntäglichen Krimi aus. Doch ich muss sagen, ich bin ein Fan der Filme aus den 1970er und 80er Jahren. Da wurde sich noch Mühe gegeben, um spannende Geschichten zu entwickeln und zu erzählen. Was mich heute richtig stört, ist, dass das Private der Kommissare immer mehr in den Vordergrund rückt. Zudem wirken die Geschichten oft übertrieben und unrealistisch.
Woran liegt es, dass die Morde immer spektakulärer und die Geschichten immer absurder werden?
Ein Grund ist auf jeden Fall die inflationäre Steigerung der Ermittlerteams. Das hat zur Folge, dass einige Figuren nur ein oder zweimal im Jahr ermitteln. Die Teams möchten sich von den anderen Kollegen abgrenzen und dadurch werden die Geschichten exotischer. Da kann man manchmal nur noch den Kopf schütteln.
Welche „Tatorte“ sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Die Schweiger-„Tatorte“ zählen für mich zu den Exoten. Dort wird ohne Sinn und Verstand nur genuschelt und geballert. Bei anderen Extremen wie „Wer bin ich“, in dem der Schauspieler Ulrich Tukur sich selbst und gleichzeitig den Kommissar Felix Murot spielt, oder „Im Schmerz geboren“ mit über 50 Leichen ist das Zuschauen aber keine Qual.
ist 43 Jahre alt und Redakteur in einem Heidelberger Wissenschaftsverlag. Seit seinem Studium betreibt er die Internetseite tatort-fundus.de, die alles Wissenswerte rund um den sonntäglichen Krimi sammelt.
Viele haben ein Lieblingsermittlerteam und schalten nur für ihre Stadt den Fernseher an. Bei welchem Team denken Sie „Oh nein, nicht die schon wieder“?
Als wahrer Fan schaue ich natürlich jeden „Tatort“. Aber auf Til Schweiger könnte ich gut verzichten. Genau wie auf den saarländischen „Tatort“.
Was stört Sie an Devid Striesow und Elisabeth Brück aus dem Saarland?
Die Folgen finde ich einfach schlecht, beide sind keine schlechten Schauspieler, aber die Rolle des Kommissars nehme ich Striesow nicht ab. Sie wollen lustig sein und gleichzeitig sozialkritische Themen erzählen, beides gelingt ihnen nicht. Es wirkt auf mich wie gewollt und nicht gekonnt. Der Münsteraner Tatort dagegen hat einen anderen Zugang. Hier gerät die Kriminalgeschichte teilweise in den Hintergrund, doch die Komik funktioniert für mich hier.
Die Nutzer ihrer Website tatort-fundus haben den Berliner Tatort „Ein Hauch von Hollywood“ von 1997 als schlechtesten Film gerankt. Stimmen Sie zu?
Für mich ist „Eine Handvoll Paradies“, der zweite Tatort aus Saarbrücken, der schlechteste – wirklich unter aller Kanone. Er war so vorhersehbar. Nach wenigen Minuten wusste ich die Lösung. Und die Witze haben wieder nicht funktioniert. Es war lächerlich – nicht lachhaft. Auf den hätte ich verzichten können. Das war vertane Lebenszeit.
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