Porträt: Der Getriebene
Kaum jemand verkörpert die Wiedersprüche des Profifußballs so wie Dietmar Beiersdorfer, der Ex-Fußballer mit dem Betriebswirtschafts-Diplom, der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV. Zuhause zwischen Kiez und Schanze mit Streetcredibility ausgestattet, heuerte er in den letzten sieben Jahren just immer da an, wo der vereinsgebundene Fußball gerade die derbsten Tritte erhielt.
Nachdem er 2009 den Machtkampf mit Ex-HSV-Boss Bernd Hoffmann verloren hatte, organsierte er zunächst für Red-Bull-Besitzer Dieter Mateschitz in Salzburg, Leipzig und New York den Aufbau der Red-Bull-Fußballmacht. Anschließend kaufte er mit dem Geld des russischen Energieriesen Gazprom als Sportchef von Zenit Petersburg groß auf dem Spielermarkt ein. Schließlich benutzten die Privatisierer des HSV sein hohes Ansehen bei den Fans dafür, die Mitglieder von der Gründung der Fußball-AG zu überzeugen. Damit war die Bahn frei für den Einstieg von Klaus-Michael Kühne als Anteilseigner und ewigem Reinquatscher.
Seitdem wird Beiersdorfer von den fachfremden Ansprüchen des Investors getrieben, den HSV möglichst schnell zur alten Blüte zu führen. Kühne kennt es nicht anders, als dass sich die Dinge der Welt mit Geld regeln lassen und hat vor dieser Saison noch einmal über zehn Millionen rausgehauen, um neue Spieler zu kaufen. Dem Vernehmen nach hat Beiersdorfer die Einkaufsliste mehr mit Kühne als mit dem damaligen Trainer Bruno Labbadia kommuniziert. Der Trainer wollte die Defensive stabilisieren, gekauft wurden hauptsächlich Offensivkräfte. Zuletzt spielten weder die formschwachen Alen Halilovic und Filip Kostic noch der gesperrte Bobby Wood, während die Abwehr sich als nicht bundesliga-tauglich erwies.
Derweil hat Beiersdorfer auch noch seinen Mediendirektor Jörn Wolf verloren, der in zwölf Jahren 27 Vorsitzende, Trainer und Sportdirektoren begleitete, und schlittert bei der Verpflichtung eines neuen Sportdirekors von einer Verlegenheit in die nächste. Wie es aussieht, muss er dem VFL Bochum eine hohe Ablösesumme zahlen, um in dieser Woche Christian Hochstätter zu präsentieren, der in der Ersten. Bundesliga noch keine großen Erfolge vorzuweisen hat. Der Transfer muss sitzen, der Aufsichtsrat, dem der Kühne-Vertraute Karl Gernandt vorsitzt, hat Beiersdorfer schon vor Wochen angezählt.
Der HSV taumelt dem Abstieg entgegen. Das einzige, was helfen könnte, wäre eine einheitliche Strategie, die alle im Verein mittragen. Neu-Trainer Gisdol hielt nach der 2:5-Blamage gegen Dortmund die Rede, die Beiersdorfer hätte halten sollen, die Kernbotschaft hieß: „Schluss mit den Träumereien!“ Doch wer sagt es Kühne? rlo
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