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Der GewissensbissSo richtig deutsch

„Du also auch“, denkt man im Stillen – und redet lieber nicht darüber

Eigentlich geht das gar nicht: Bullen für ihre Arbeit abfeiern. Nichts anderes aber macht man, wenn man ihnen jeden Sonntagabend im Ersten beim Lösen von ausgedachten Kriminalfällen zusieht. Dass es dabei mehr um das Ritual geht als um den mäßigen bis schlechten Inhalt, macht es kein Stück besser. Im Gegenteil: Man reiht sich ein in die Masse Durchschnittsdeutscher, die sich auf dem Sofa fläzt. Tatort gucken ist richtig deutsch. Schlimmer geht’s also kaum.

Kein Wunder, dass das Polizeifilmritual nicht gerade populär ist in einem Milieu, das Nationen ablehnt – allen voran die deutsche. Und so ist man heimlich erleichtert, wenn man mitkriegt: Doch, immerhin noch ein paar von den linksradikalen FreundInnen kucken den Tatort noch. „Du also auch“, denkt man im Stillen – und redet lieber nicht darüber. Aber man ist wenigstens nicht allein.

Wobei, allein ist man sowieso nicht, denn allein den Tatort kucken, das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wenn es nicht um das Kollektive geht, warum sollte man sich ihn überhaupt ansehen? Dann lieber was Vernünftiges!

Sonntagabends gemeinsam etwas anderes zu kucken, hat allerdings nie funktioniert. In meiner WG haben wir das eine Zeit lang versucht. Es war fast wie ein Plenum: Bis wir uns auf einen Film geeinigt hatte, war das bestellte Essen kalt, und überhaupt waren alle schon zu erschöpft. Dann doch lieber wieder das Erste, um Viertel nach acht.

Erstaunlich, was man um den Preis des diskussionslosen Zusammen-Fernsehens auf sich nimmt: einen schlechten Film, in dem PolizistInnen die HeldInnen sind. Der in vielen Fällen rassistische und sexistische Klischees bedient. Der konservative Werte abfeiert und in dem Linke, wenn sie denn vorkommen, meistens ÖkoterroristInnen sind. Zu allem Überfluss holt man sich mit dem deutschesten aller deutschen Rituale quasi den Rest der Nation ins Wohnzimmer. In der taz stand vor Jahren mal: „Falls es noch einmal eine Revolution in Deutschland geben sollte – am Sonntagabend um 20.15 Uhr wird sie nicht stattfinden.“ Da steckt sehr viel Wahrheit drin.

Aber das Leben steckt eben auch voller Widersprüche, und manche davon kann man nicht auflösen. Oder will man nicht. Obwohl inhaltlich so wenig für den Tatort spricht, will ich doch nicht auf ihn verzichten. Und vielleicht erfüllt er auch eine andere, nicht zu unterschätzende Funktion: Ein bisschen Mainstream-Dasein, etwas Reihenhaus-Feeling am Sonntagabend, das mag auf eine Art entlastend sein. Aber ich gelobe: Falls in Deutschland doch noch mal eine Revolution stattfindet, schmeiße ich als erstes den Fernseher aus dem Fenster – erst recht, wenn gerade Sonntagabend ist.

Katharina Schipkowski

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