: HSV-Abwehr offenbart Slapstick-Qualitäten
HILFLOSDer HSV schenkte den Dortmundern an Uwe Seelers 80. Geburtstag fünf Tore und trudelt dem Abstieg entgegen. Das gängigste Mittel in einer solchen Situation ist bereits gnadenlos verpufft
Wenn ein Bundesliga-Team am 10. Spieltag auf dem letzten Tabellenplatz steht und gerade wieder eine sehr schlechte Leistung gezeigt hat, muss die Vereinsführung entscheiden, was sie verändern kann, um den Abstieg zu vermeiden. Das wäre der normale Gang der Dinge. Aber hier geht es um den HSV.
Da herrscht nach der 2:5-Niederlage gegen Borussia Dortmund eine Stimmung, als sei der Klub bereits abgestiegen. „Ohne Uwe könnt ihre alle geh’n“, skandierten die Zuschauer mit Blick auf Vereinsikone Uwe Seeler, der vorm Anpfiff für seinen 80. Geburtstag geehrt wurde. Es scheint wirklich niemand mehr da zu sein, dem die Fans die Kraft für einen Umschwung zutrauen.
Das gängigste Mittel in dieser Situation, der Trainerwechsel, hat der HSV schon verbraucht – es ist grandios verpufft. In fünf Spielen hat Markus Gisdol einen Punkt geholt – und das Team nicht erkennbar weiterentwickelt. Gegen die offensiv-starken Dortmunder versuchte er es mit einer Fünferkette in der Abwehr, die aber so schlecht gestaffelt und eingespielt war, das Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang die Bälle für seine vier Tore fast vor die Füße fielen. Die individuellen Fehler, die den Toren vorausgingen, hatten Slapstick-Qualität und verstärkten die Zweifel an der Bundesliga-Tauglichkeit der Innenverteidigung, die fast immer der Ursprung der Fehlerketten war.
Für die Kaderzusammenstellung ist der sportliche Leiter verantwortlich – und das ist beim HSV der Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer in Personalunion. Er hat zwar inzwischen erkannt, dass er in dieser Doppelfunktion überfordert ist, die Suche nach einem Sportchef gestaltet sich aber ähnlich pannenreich wie die Personalpolitik der vergangenen Jahre. Der von den Fans favorisierte Nico-Jan Hoogma hat seine Bereitschaft mittlerweile zurückgezogen. „Ich war nicht einverstanden mit dem Prozess“, wird er zitiert.
Das Vakuum in der HSV-Führung ist mindestens so groß wie die Löcher in der Abwehr. Wenn Beiersdorfer es nicht schnell schließt, ist es eine Frage der Zeit, wann Aufsichtsratschef Karl Gernandt wieder hineinstößt. Der hat schon vor vierzehn Tagen gesagt: „So eine sportliche Krise gab es in der Bundesliga-Geschichte des HSV noch nie. Ich werde da nicht tatenlos zusehen. Es geht sportlich und in der Führung nicht mehr so weiter.“
Inzwischen ist er zwar zurückgerudert und hat gesagt, es ergebe keinen Sinn, „den Kapitän im Sturm von Bord zu schicken“, aber wenn HSV-Investor Klaus-Michael Kühne, dessen enger Mitarbeiter Gernandt ist, sein Investment weiter schrumpfen sieht, wird er nicht lange stillhalten. Aus der Vergangenheit weiß man, welchen Namen Kühne aus der Tasche zieht, wenn er Führungsschwäche wittert: Felix Magath.
Nach der Pleite gegen Dortmund versuchte Trainer Gisdol das Vakuum zu füllen und den gesamten Klub mit einem Appell an die Geschlossenheit auf knallharten Abstiegskampf einzuschwören und mit „Träumereien“ aufzuhören. Er wirkte einsam dabei. RLO
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