Richard Rother über die Einigung bei Kaiser’s Tengelmann: Der rheinische Kapitalismus lebt
Ende gut, alles gut? So weit ist es bei der angeschlagenen Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann noch lange nicht. Auch nicht nach dem Durchbruch bei der Mediation zwischen den Handelskonzernen, den Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) höchstpersönlich verkündete. Aber die 15.000 Beschäftigten können jetzt auf den Erhalt ihrer Arbeitsplätze hoffen. Ein erfreuliches Signal. Es zeigt auch: Der rheinische Kapitalismus, der auf Ausgleich und Verhandlung (bis hin zur Mauschelei) beruht, lebt. Wenn der politische Wille da ist, können die unsozialen Kräfte des Marktes gebändigt werden.
Im konkreten Fall trübt auch der naseweise Hinweis nicht die Freude, niemand wisse, wie viele Supermärkte und Arbeitsplätze nach Ablauf der siebenjährigen Jobgarantie erhalten blieben. Ja – is so. Aber für eine 55-jährige Kaiser’s-Verkäuferin aus Berlin ist es nicht egal, ob sie jetzt arbeitslos wird, alsbald ihre teurer werdende Miete in der überfüllten Stadt nicht mehr zahlen kann und eine klassische Hartz-IV-Karriere startet: Arbeitsagentur, Jobcenter, Ersparnisse aufbrauchen, Minirente kriegen, Flaschen sammeln. Oder ob sie im schlimmsten Fall erst in sieben Jahren arbeitslos wird, mit der Chance, es ohne Hartz IV bis zur Rente zu schaffen.
Selbst die Bedenken der Wettbewerbshüter ändern nichts daran, dass Gabriel im Fall Kaiser’s zu Recht eine verträgliche Lösung für die „kleinen Leute“ forcierte – wohl auch aus Angst, immer mehr von ihnen könnten bei Wahlen zur AfD abwandern. Die Erfahrung mit Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Co belegt ja: Nirgendwo in Europa ist der Wettbewerb im Einzelhandel so hart wie in Deutschland, was sicher zulasten der Lieferanten und der Beschäftigten geht. Die Kunden aber, die profitieren: von günstigen Preisen, auch für ordentliche Produkte. Oder glaubt jemand, Milch und Butter oder Bio-Wein und Fairtrade-Kaffee wären in Frankreich oder Großbritannien besser als hierzulande, weil die Kunden dafür dort mehr bezahlen?
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