Premiere im Berliner Abgeordnetenhaus: Alle Augen auf die AfD
Das Berliner Abgeordnetenhaus tagt nach der Wahl im September zum ersten Mal. Ganz rechtsaußen sitzen nun die 24 Abgeordneten der AfD.
Berlin taz | Kanan Bayram. Derya Kakla. Mario Tschasa. Man muss sich sehr konzentrieren, um zu verstehen, wen der AfD-Abgeordnete Marc Vallendar da aufruft. Weil der 1986 geborene Vallendar der fünftjüngste Abgeordnete im neuen Parlament ist, kommt ihm die Aufgabe zu, die Namen der Abgeordneten für die Wahl des Parlamentspräsidenten zu verlesen, die vier jüngsten Abgeordneten sitzen bereits im temporären Präsidium.
Ist es eine Spitze, dass Vallendar insbesondere die nicht deutsch klingenden Namen von PolitikerInnen wie Canan Bayram, Derya Çağlar und Mario Czaja falsch ausspricht? Fairerweise muss man sagen, dass er auch über Namen aus seiner eigenen Fraktion stolpert – vielleicht ist er also auch einfach nur schlecht vorbereitet.
Die Sache mit den Namen erregt Aufmerksamkeit, genauso wie die Tatsache, dass einige AfD-Abgeordnete mit einem zackigen „Jawohl!“ statt einem einfachen Ja auf das Aufrufen ihres Namens antworten, dass der Abgeordnete und AfD-Pressesprecher Ronald Gläser den größten Teil der Sitzung betont lässig auf seinem Handy herumsurft oder dass der nach bekanntwerden seiner rechtsextremen Vergangenheit aus der Fraktion ausgeschlossene Kay Nerstheimer beim fröhlichen Plaudern mit AfD-Abgeordneten gesichtet wird.
Das zeigt auch, unter welch enger Beobachtung die AfD bei ihrem ersten Auftritt im Abgeordnetenhaus steht. Die größte Traube aus Kameras und Mikrofonen bildet sich vor Beginn der Sitzung um den AfD-Vorsitzenden Georg Pazderski, der sich sogleich alle Mühe gibt, dem Medieninteresse mit einem spannungsgeladenen Satz zu begegnen: „Wir gehen jetzt da rein, und dann schauen wir mal, was passieren wird“, sagt er. Ganz so als läge es im Bereich des Möglichen, dass ein blaues Einhorn durch den Plenarsaal galoppiert, wenn die AfD dort zum ersten Mal Platz nimmt.
Was dann wirklich passiert, ist hingegen eher erwartbar: Die AfD stellt einen Änderungsantrag zur Geschäftsordnung, den ebenfalls der Jurist Vallendar erläutern darf. Es geht um einen Abschnitt, der es den Oppositionsfraktionen leichter machen soll, Anliegen auf die Tagesordnungen der Ausschüsse zu setzen.
Der AfD geht das nicht weit genug, Vallendar spricht von einem „Scheinminderheitenrecht“. Dafür gibt es mildes Gelächter, alle anderen Fraktionen lehnen den Antrag ab, die AfD stimmt dafür anschließend als einzige gegen die Geschäftsführung. Willkommen im neuen Abgeordnetenhaus.
Leser*innenkommentare
Pfanni
„Es geht um einen Abschnitt, der es den Oppositionsfraktionen leichter machen soll, Anliegen auf die Tagesordnungen der Ausschüsse zu setzen“
Soweit ich mich erinnere, stellten „Grüne“ und „Linke“ nach der letzten Bundestagswahl ähnliche Forderungen.
Ich mag die AfD zwar nicht, aber ist das Anliegen falsch, nur weil es von der „falschen“ Partei geäußert wird? In jedem Fall geht es doch darum, über die Geschäftsordnung etwas zu erreichen, was das Wahlergebnis nicht hergibt?
36119 (Profil gelöscht)
Gast
Das ist schon der dritte Bericht über die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, den ich heute gelesen habe. In allen drei wurde betont, dass die AfDler "mit einem zackigen Jawohl geantwortet haben". Als jemand, der Deutsch als Fremdsprache gelernt hat, vermag ich möglicherweise nicht zu beurteilen, was "Jawohl" über einen Menschen aussagt und inwiefern es ihn diskreditiert. Aber als Iraner weiss dafür umso besser, dass auch eine schlechte Opposition besser als gar keine Opposition ist. Wir im islamofaschistischen Iran hätte gern Eure "Probleme" im Berliner Abgeordnetenhaus. Jawohl :o)
Hans-Georg Breuer
@36119 (Profil gelöscht) Haben Sie gut erkannt. In dem Weltbild der linken Ideologen klingt Jawohl zu militärisch, wer militärisch auftritt macht sich beim denen Nazi-verdächtig.
Thomas_Ba_Wü
Keine Sorge - das sind nur der übliche Politikzirkus.
"Jawohl" ist eher bei Befehlen üblich - Militär also.
Das das die taz natürlich ganz ganz schlimm findet ist klar.
Es wäre ja nicht die taz wenn sie aus jedem AFD-Furz nicht gleich eine Staatsaffäre macht.
Nobodys Hero
Hm, also bei aller Abneigung gegen diese Partei, fällt es mir doch schwer mich über Stolperer bei komplizierten Namen oder ein "Jawohl" aufzuregen.