: VW will Historiker nicht gefeuert haben
NS-Aufarbeitung Der Volkswagen-Konzern bestreitet, dass er den kritischen Forscher Manfred Grieger entlassen hat. Er habe ihn bloß zur „Abstimmung“ von Artikeln aufgefordert
Da äußert sich einer kritisch, und schon rollt sein Kopf? Nein, so sei es nicht gewesen, heißt es aus VW-Kreisen. Manfred Grieger, Chefhistoriker der Abgasskandal-gebeutelten Firma, sei „im beiderseitigen Einvernehmen“ zum 31. Oktober gegangen, sagt VW-Pressesprecher Eric Felber. Er sei nicht hinausgeschmissen worden. Man habe sich ehrlich bemüht, Grieger, der über Zwangsarbeit bei VW im Nationalsozialismus promovierte, zu halten. Doch Grieger, der sich derzeit nicht äußert, habe nicht gewollt.
Auslöser war ein Aufsatz Griegers in der Zeitschrift für Unternehmenskommunikation von 2015. Darin hatte er eine Studie über die VW-Tochter Audi kritisiert. Der Blick des Audi-Historikers Martin Kukowski und des Chemnitzer Professors Rudolf Boch auf „Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union AG Chemnitz im zweiten Weltkrieg“ – der Audi-Vorgängerfirma – habe einen „empathischen Kern“, sei voreingenommen und handwerklich unzulänglich, hatte er geschrieben.
Harter Tobak in einem Historiker-Fachblatt, den zunächst niemand bemerkte – bis ihn kürzlich die Wirtschaftswoche aufgriff und zum „VW-Historikerstreit“ stilisierte. Die aufgeschreckten VW-Chefs reagierten verschnupft und forderten, so etwas künftig abzusprechen.
In der Tat ist jeder VW-Mitarbeiter verpflichtet, Veröffentlichungen, die das Unternehmen betreffen, „abzustimmen“. Eine Formulierung, die von der schlichten Mitteilung bis zum inhaltlichen Eingriff reichen kann. Und auch wenn bei VW niemand von Zensur sprechen will: Grieger wird es so empfunden und sich als Wissenschaftler dagegen verwahrt haben.
Warum VW und Audi nicht souverän damit umgingen, die Kritik aufgriffen und die Audi-Studie eventuell nachbesserten, bleibt unklar. Möglich ist so etwas. Bei der Wehrmachts-Ausstellung hat es zum Beispiel funktioniert. Ohne Imageschaden. PS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen