Kommentar Spanische Sozialisten: Im Dienst von Heimat und Kapital
Dank der Sozialisten bleibt die korrupte Rajoy-Regierung in Spanien im Amt. Die WählerInnen werden ihr das nicht verzeihen.
Spanien bekommt eine Regierung und verliert eine Oppositionspartei. Die Sozialisten (PSOE) haben am Sonntag beschlossen, dem konservativen Ministerpräsident Mariano Rajoy durch Stimmenthaltung im Parlament erneut an die Regierung zu verhelfen. Der Preis für diese Entscheidung ist hoch. Zurück bleibt eine tief gespaltene und ihrer Glaubwürdigkeit beraubte PSOE.
Im Dienste Spaniens habe es keine Alternative gegeben, lautet die Begründung der Sozialisten. Dies ist ein Schlag ins Gesicht derer, die unter der rücksichtslosen Krisen-Sparpolitik von Rajoys Partido Popular (PP) gelitten haben. Dank der PSOE bleibt auch die korrupteste Regierung im Amt, die Spanien seit dem Rückkehr zur Demokratie je hatte. Hunderte, teils namhafte, Parteimitglieder stehen in Korruptionsverfahren vor Gericht. Im größten Prozess geht es um die illegale Finanzierung der PP in den letzten Jahrzehnten. Was dort bekannt wird, erinnert eher an eine Mafia als an eine politische Kraft.
Die Sozialisten wollen jetzt den Kurs der Regierung aus der Opposition heraus beeinflussen. Dies ist tatsächlich möglich, denn Rajoy braucht auch künftig bei jeder wichtigen Entscheidung die Stimmen der rechtsliberalen Ciudadanos (C’s) und die Enthaltung von mindestens 11 Abgeordneten. Andersherum bedeutet dies, dass alle Parteien gemeinsam die PP und selbst ein Bündnis aus PP und C’s niederstimmen können. Es besteht also die Möglichkeit, Gesetze gegen den Willen der Regierung durchs Parlament zu bekommen.
Warum hat die PSOE nicht versucht, diese alternative Mehrheit auszuloten, um nicht aus der Opposition, sondern aus der Regierung zu handeln? Die Antwort ist einfach: Die spanische Wirtschaft wollte auf keinen Fall eine Regierungsbeteiligung von Unidos Podemos, die ein Ende des Sparkurses fordern und die Rücknahme von Arbeitsmarktreformen, die massive Verschlechterungen für Arbeitnehmer brachten. Die Sozialisten haben den Großunternehmen diesen Gefallen getan.
Die WählerInnen werden ihnen das nicht verzeihen. Im Laufe der Krise hat die PSOE bereits knapp die Hälfte ihrer WählerInnen verloren. Ein Ende des Tunnels ist nicht in Sicht. Zu Recht droht ihr das Schicksal der griechischen Schwesterpartei Pasok, die zur Unkenntlichkeit verkommen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin