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Amerikaner auf Kuba-ReiseRaus aus der Kalter-Krieg-Logik

Gut 90.000 US-Amerikaner kamen im ersten Jahr nach dem Tauwetter mit den USA nach Kuba. Sie sind nicht mehr als eine Vorhut.

Liebe Touristen: Willkommen im Hafen von Havanna Foto: imago/Xinhua

Bob Trost zieht anerkennend die Stirn in Falten, nickt Maxin Miller zu und lauscht den Worten von Lizzy Salcines, die den Gästen auf Englisch erklärt, wie die Biofarm in Havannas Stadtteil Alamar funktioniert. „Da drüben vor dem Verwaltungssitz, wo eine Frau aus Ihrer Gruppe im Schatten sitzt, hängt die Tafel mit den Umsätzen und den Prämien zusätzlich zum Lohn“, erklärt sie und führt die Gruppe zur Verwaltungsbaracke des Vivero Organopónico Alamar.

Der Stadtgarten entstand 1996, mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise Kubas, als sich die sozialistische Insel nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers vollkommen neu orientieren musste. „Wir waren zu viert und haben mit einem halben Hektar Land angefangen“, erklärt Miguel Salcines, Er ist der Vater von Lizzy Salcines, Gründer und Präsident der Genossenschaft, die auf der anderen Seite der Bucht von Havanna in einem von Plattenbauten dominierten Neubauviertel aus den 1970er Jahren liegt. Eingeklemmt zwischen den pastellfarbenen Wohntürmen liegen die knapp 11 Hektar, die von den 165 Genossen derzeit bestellt werden, und jedes Mal, wenn eine US-Gruppe vorbeikommt, muss Miguel Salcines erklären, wie das damals war.

Ohnehin sind die Älteren bei den Besuchen der Amerikaner gefragt, denn sie haben viel zu erzählen, und das interessiert die Gäste aus den USA brennend. „Wir sind hier, um für den Wandel in den Beziehungen zu Kuba einzutreten, und wollen sehen, was los ist“, erklärt Bob Trost. Der Mann, Ende 50, ist mit seiner Frau Aurlie unterwegs und kommt aus Moscow im US-Bundesstaat Idaho. Über das Alumni- Programm der Universität haben sie sich den Traum von der Visite auf der sozialistischen Insel ganz legal erfüllt.

Gestern hat die aus einem runden Dutzend wissbegierigen US-Bürger bestehende Gruppe den Friedhof von Havanna, den Cementerio Cirstóbal Colón, besucht. Heute steht die Landwirtschaft auf dem Programm. „Für uns ist es eine Überraschung, dass hier Biogemüse angebaut wird, denn bei uns ist das sehr teuer“, erklärt Aurlie Trost verwundert. Ihre Freundin, Maxin Miller, nickt zustimmend. Entsprechend ungläubig blicken die beiden, als Miguel Salcines erklärt, dass der Bioanbau in Kuba aus der Not geboren wurde.

Reisen zum Klassenfeind

Das Abkommen: Mehr als 50 Jahre lang mussten US-Reisende nach Kuba den Umweg über Drittstaaten nehmen. Doch damit ist Schluss, seit sich die einstigen Erzfeinde über ein Luftverkehrsabkommen verständigt haben, das direkte kommerzielle Flugverbindungen ermöglicht. Schon im Herbst soll der regelmäßige Flugverkehr zwischen den Ländern wieder aufgenommen werden. Anfang Juli vergab die US-Regierung die ersten vorläufigen zwanzig Lizenzen für den täglichen Flug nach Havanna.

Historische Entscheidungen: Für US-Verkehrsminister Anthony Foxx eine historische Entscheidung, auch wenn die kubanische Airline Cubana bisher nicht hoffen kann, eine Lizenz zu erhalten. Mit der Legalisierung des Flugverkehrs zwischen den beiden Klassenfeinden wird die Zahl der US-Bürger, die Kuba ansteuern, steigen, denn bereits Mitte März hat die Regierung von Barack ­Obama weitere Reiserleichterungen für US-Bürger bekannt gegeben. Gemäß den neuen Regeln müssen US-Bürger bei Bildungsreisen nicht mehr in einer Gruppe nach Kuba kommen, sondern können auch individuell einreisen.

Interkultureller Austausch: Voraussetzung für eine Reiseerlaubnis sei ein „bedeutender Austausch zwischen dem Reisenden und Individuen in Kuba“, so die seit 15. März geltende Regelung. Somit verschwimmt immer mehr die Grenze zu touristischen Reisen, die für US-Bürger weiterhin verboten sind, denn auch Kreuzfahrtschiffe aus den USA können auf Kuba anlegen. Anfang Mai 2016 hatte mit der „Adonia“ der erste Kreuzfahrtriese an der Mole in Havanna festgemacht.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der restlichen Staaten des sozialistischen Lagers habe es schlicht keine Düngemittel und Pestizide mehr gegeben. „Alternative Anbaukonzepte waren genauso überlebenswichtig wie Hilfe beim Aufbau dieser Genossenschaft. Nur deshalb können wir heute Gemüse en gros für den Stadtteil produzieren“, sagt Salcines mit einem stolzen Lächeln. Dann führt der 66-Jährige mit der dunkelblauen Baseballkappe, auf der das Logo der Bond University prangt, die Gruppe an Beeten mit Kopfsalat, Kürbis und Minze vorbei, die unter dünnen schwarzen Netzen wachsen.

„Die Netze sorgen dafür, dass rund siebzig Prozent der Sonnenstrahlen weggefiltert werden, sodass wir das ganze Jahr produzieren können“, erläutert Salcines und lässt sich von Tochter Lizzy übersetzen. In Kuba sind die aber kaum zu bekommen, und nur dank der Hilfe der Deutschen Welthungerhilfe wurde der unverwüstliche Gazestoff schließlich aus Panama importiert. „Da gibt es einen Produzent, die anderen sitzen in den USA, und dann greift die Blockade“, sagt Salcines und erntet betretene Gesichter.

Blockade wird das Handelsembargo der USA in Kuba genannt, die es den Kubanern untersagt, Güter aus den USA zu importieren – abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen wie Lebensmittel. Für Bob Trost alles andere als zeitgemäß. „Wir müssen aus der Kalten-Krieg-Logik herauskommen“, appelliert er an die Politik. Dazu gehört auch die Aufhebung der Reisebeschränkungen vonseiten der USA, die es US-Bürgern schwer macht, nach Kuba zu reisen. „Noch vor ein paar Monaten ging es nur über Mexiko oder andere Drittländer. Also illegal. Das ist immerhin vorbei“, ergänzt Maxin Miller. Die Obama-Administration hat 2015 Bildungsreisen wie jene der Gruppe aus Idaho legalisiert. Auch einigen Berufsgruppen wie Journalisten wurde grünes Licht für die Visite beim Klassenfeind gegeben.

Für Letztere sind Besuche im Stadtgarten von Alamar hoch interessant, denn hier arbeiten auch noch zwei, drei Zeitzeugen wie Ramón Portal. Der hat die kubanische Revolution als Halbwüchsiger mitgemacht. Portal, 76 Jahre alt, stammt aus Santa Clara und hat sich als Dreizehnjähriger der Rebellenarmee von Fidel Castro und Ernesto „Che“ Guevara angeschlossen. Der rüstige Rentner, der für die Medizinalpflanzen im Stadtgarten zuständig ist, begrüßt das Tauwetter zwischen den USA und Kuba. „Wir müssen die Vergangenheit ruhen lassen und in die Zukunft schauen“, sagt er.

Obama war wegweisend

Den Besuch von Barack Obama im März fand er wegweisend. Das Ende der Blockade sei für Kubas Wirtschaft zentral. Sätze, die bei den Besuchern auf Verständnis stoßen, denn schon nach zwei Tagen Kuba haben sie bereits einen Eindruck gewonnen, dass vieles fehlt und das Leben auf der Insel alles andere als einfach ist.

Auch für die Genossen des Stadtgartens von Alamar, die recht gut verdienen, weil die Genossenschaft produktiv ist und Erfolgsprämien auszahlt, ist der Alltag in Alamar nicht immer rosig. Für ein würdevolles Leben in Kuba seien, so Portal, rund 1.500 kubanische Peso nötig. „Aber der Durchschnittslohn liegt bei der Hälfte. „Wir Genossen haben immerhin den Vorteil, dass wir die Lebensmittel billiger als im Straßenverkauf bekommen“, erklärt der Jubilar in der olivgrünen Arbeitsjacke die Bedingungen.

„Direkt mit den Menschen ins Gespräch zu kommen ist für uns ein Gewinn“, erklärt Maxin Miller, die froh ist, nicht auf eigene Faust auf die Insel gefahren zu sein. Das machen allerdings mehr und mehr US-Amerikaner. 90.000 waren es 2015, die den kubanischen Einreisebehörden zufolge nach Kuba kamen. Fast doppelt so viele wie im Vorjahr, und die Zahl wird laut allen Prognosen sprunghaft steigen, denn seit Mitte März 2016 können US-Amerikaner auch auf eigene Faust nach Kuba reisen und ihre eigenen Erfahrungen vor Ort machen. Für Bruce McInnes eine große Erleichterung. Der US-Fotograf ist zum sechsten Mal auf der Insel und fotografiert mit seiner Frau den Alltag in den Straßen von Havanna. „Festhalten, dokumentieren und informieren“ will er .

Er treibt es sich auf den Bauernmärkten herum, fotografiert, notiert Preise und informiert sich über die Erfahrungen privater Vermieter wie Oscar Almiñaque. Der 57-Jährige leitet eine kleine Pension gleich um die Ecke vom Platz der Revolution. Vor fast zwanzig Jahren hat der studierte Dozent für marxistische Ökonomie die Lehre mit der realsozialistischen Praxis getauscht und ist zufrieden, dass seine drei Zimmer in aller Regel belegt sind.

Voraussetzung dafür waren die Renovierung des Hauses Ende der 1990er Jahre und die Hilfe deutscher Freunde, die sein Angebot auf einschlägigen Websites gepostet haben. Vor allem Gäste aus Europa sind es, die bei ihm unterkommen, und nur bei Italienern ist er vorsichtig. „Zu viele Scherereien, zu viel Jiñeteras und zu viel Party“, sagt er nur kurz und rollt mit den Augen.

Schlimm treiben es die Italiener

Jiñeteras werden die Prostituierten in Kuba genannt, und Italiener haben den Ruf, die Frauen schlecht zu behandeln und die Insel vor allem als Sexdestination zu betrachten. Mit Deutschen, Belgiern, Dänen und auch Spaniern hat Almiñaque hingegen gute Erfahrungen gemacht. „Die wollen meist wirklich das Land kennenlernen, fahren in den Osten und machen sich ein Bild, wo es hier hakt“, sagt er und fährt sich über die grauen Kinnbartstoppeln.

Gegenüber US-Amerikanern ist er skeptisch. „Die sprechen meist nur Englisch. Das macht es schwer. Doch entscheidend für mich ist, dass sich unsere Gäste benehmen, und da haben die Amerikaner traditionell nicht den besten Ruf.“ Vorbehalte, die vor allem die Älteren gegenüber den US-Amerikanern pflegen, die in den 1950er Jahren die Insel besuchten, um Bordelle und Casinos zu besuchen. Auf die Wiederholung der Geschichte hat in Kuba kaum jemand Lust, aber generell sind die Yumas mit ihren Dollar willkommen. Yumas werden die US-Besucher im Osten der Insel genannt, doch der Begriff hat sich fast landesweit für die Besucher aus den Staaten durchgesetzt. Für die zahlungskräftigen Yumas werden in Havanna auch die letzten Straßenkreuzer auf Vordermann gebracht, Fassaden gestrichen und Restaurants eingerichtet.

Der Dollar ist hoch im Kurs und der Sternenbanner in den Straßen Kubas überall zu sehen: als Fähnchen in Taxis, aber auch als Kopftuch, T-Shirt, Kleid oder Minirock wird er auf der Insel getragen. Auch in den exklusiven Restaurants in Centro Habana, wo Barack Obama im San Cristóbal von Starkoch Carlos Cristóbal Márquez bewirtet wurde, hat die Zahl der US-Gäste zugenommen. Gleiches gilt für die heruntergekommene Hafenstadt Cárdenas.

Einblick in den schwierigen Alltag

Dort ist Mark B. Pendleton aus New Hampshire regelmäßig mit seinen Mitstreitern von der Christ Church aus Exeter im Einsatz. Die Wasserversorgung in den kleinen Dörfern der Region verbessern die US-Freiwilligen. „Wir bauen Filter ein, hin und wieder neue Pumpen und bringen Dichtungen, Gewinde und dergleichen mit. Wasser guter Qualität ist in Kuba keine Selbstverständlichkeit“, sagt der kräftige Mittvierziger.

Das christliche Zentrum für Dialog und Versöhnung (CCRD) in Cárdenas ist Kooperationspartner seiner Kirche, und einmal jährlich kommt ein mehrköpfiges Team. Pendletons gebrochenes Spanisch reicht schon, um die wesentlichen Dinge zu verstehen. „Nach einem Besuch in einem abgelegenen Dorf weiß man ohnehin, wie schwierig der Alltag der Kubaner oft ist“, erklärt der Pastor.

Die erste Welle von US-Touristen schätzt Pendleton positiv ein. „Das sind US-Amerikaner, die eine Insel entdecken wollen, auf der die Uhren vollkommen anders ticken.“ Dieser Typ Yuma ist auch bei den kubanischen Gastronomen willkommen: „Mir geht es um Respekt. Die Amerikaner sollen sich benehmen und nicht auftreten, als könnten sie hier alles kaufen“, erklärt Greiko Grande.

Der ehemalige Reiseleiter hat mit dem Studio 55 ein gut laufendes Café am Parque Echeverría von Cárdenas eröffnet und steht für eine neue kubanische Unternehmergeneration: mit Auslandserfahrung und dem Wissen, wie ein gastronomischer Betrieb funktioniert. Entsprechend pragmatisch geht der 38-jährige Grande mit den Yumas um, die das revolutionäre Kuba der Castro-Brüder entdecken wollen und auf eine Gesellschaft im Wandel treffen.

Das hat auch die Reisegruppe um Bob Trost im Stadtgarten Alamar überrascht: „Die revolutionären Klischees interessieren kaum mehr, die Leute suchen nach Perspektiven, und da können selbst wir Gringos helfen“, sagt er schmunzelnd. Fulhas, US-Dollar, sind dabei genauso willkommen wie Filter für unbedenkliches Trinkwasser.

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