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Markus Sehl über Ceta vor dem BundesverfassungsgerichtKritische Masse in Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Ceta-Eilverfahren als zusätzlicher politischer Mediationsraum ins Spiel gebracht – und damit eine riskante Richtung eingeschlagen.

Es war ein Eilgerichtsverfahren mit außergewöhnlichen Zügen. Das Bundesverfassungsgericht, das in erster Linie über die Grundrechte Einzelner entscheidet, erhielt kistenweise Klagen, hinter denen sich rund 125.000 Menschen versammelten. Eine Massenbewegung, die Woche für Woche auf der Straße demonstriert hatte, erreichte das Gericht in Karlsruhe. Im Zuschauerraum saßen nicht nur Zuschauer, sondern auch viele Kläger. Das erinnert an das Eilverfahren zum ESM-Rettungsschirm 2012, als das Gericht Euroskeptikern über die mündliche Verhandlung ein Forum eröffnete.

Bemerkenswert ist, dass das Gericht im Eilverfahren auch ohne eine solche Verhandlung hätte entscheiden können – und bislang hatte es in Eilfällen auch davon abgesehen. Trotz des Zeitdruck nahm man sich Zeit dafür, einen Tag lang mit den Ceta-Gegnern und der Regierung zu verhandeln.

Karlsruhe bietet der gesellschaftlichen Diskussion damit eine zusätzliche demokratische Plattform. Auch der Auftritt von Sigmar Gabriel im Ceta-Verfahren zeigt, wie ernst die Plattform vor dem Gericht politisch genommen wird. Im Gerichtssaal einen erweiterten Diskussionsraum zu eröffnen, schafft Akzeptanz für die letztendlich getroffene juristische Entscheidung, die auch anschließend den politischen Weg ebnet. Zugleich birgt sie das Risiko, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zukünftig immer häufiger Defizite kompensieren muss, die der politische Diskurs und seine Institutionen in Berlin hinterlassen haben. Das würde seine Rolle vom Grundrechte-Gericht hin zum demokratischen Mediationsraum verschieben.

Schon aus Gründen der Gewaltenteilung wäre das ein riskanter Weg. Ein Gericht muss ein Gericht bleiben, egal wie viele Kläger es gibt.

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