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Hamburger Verfassungsschutz und PolitikLinksjugend böse, AfD ok

Der Leiter des Hamburger Verfassungsschutz lehnt eine Einladung zur Diskussion beim linken Jugendverband Solid ab. Mit der AfD hat er keine Probleme.

Verteidigt die demokratische Grundordnung gegen den Verfassungsschutz: Linksjugend Solid Foto: Sebastian Wilnow/dpa

HAMBURG taz | Ist Torsten Voß, Hamburgs Verfassungsschutz-Leiter, auf dem rechten Auge blind? Oder sieht er auf links einfach besonders scharf? Diese Frage wird seit Dienstag neu debattiert, zumindest in linken Kreisen. Voß lehnt es nämlich ab, mit Mitgliedern von Solid, dem Jugendverband der Linkspartei, zu diskutieren.

Solid repräsentiert die Parteimitglieder der Linken unter 35 Jahren. Diese hatten Voß zu einer Debatte eingeladen, ähnlich wie dies die AfD im Juni tat. Schließlich hatte Voß angekündigt, die Positionen des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) in Vorträgen darzulegen und sich inhaltlichen Diskussionen mit allen demokratischen Parteien zu stellen. Ein Angebot, das auf Gegenliebe stieß.

Aber eben auch ein Angebot, das offensichtlich doch nicht für alle demokratischen Parteien gilt. Solid-Landessprecher Bijan Tavassoli erhielt jedenfalls eine Absage per Mail, die der taz vorliegt. Darin lässt Voß durch eine Mitarbeiterin mitteilen, der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) sei gern bereit, sich Diskussionen, „auch in kontroverser Weise“ zu stellen.

Die Jugendorganisation der Linken gehöre allerdings zu den vom Hamburger Verfassungsschutz und anderen Verfassungsschutzämtern Deutschlands wegen der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen beobachteten Organisationen. Dies könne Tavassoli in den jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichten nachlesen, in denen seine Organisation seit Jahren unter dem Kapitel „Linksextremismus“ aufgeführt werde. „Herr Voß wird daher nicht Ihrer als verfassungsfeindlich eingestuften Organisation Gelegenheit bieten, ihre Agitation propagandistisch mit seiner Funktion zu verknüpfen“, heißt es in der Mail.

Überwacher und Überwachte

Die Statistik: Im Jahr 2015 zählte das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Hamburg 1.090 Menschen mit linksextremistischem Potenzial. 330 Personen gibt es in der Hansestadt, die in rechtsextremistischen Gruppen organisiert sind.

Der Leiter: Torsten Voß ist seit August 2014 Chef des LfV. Er hat einschlägige Verfassungsschutz-Erfahrung, da er zuvor fast drei Jahre lang LfV-Vizechef und Leiter der Staatsschutzabteilung war. Sein Pressesprecher Marco Haase war einst für die Schill-Partei tätig.

Auf eine Anfrage der taz zum Sachverhalt, ließ Voß gestern schriftlich verlautbaren, dass er gern bereit sei, sich mit der Linken auseinanderzusetzen, nicht aber mit dem Jugendverband. Dieser stelle „ein Beobachtungsobjekt des LfV Hamburg“ dar. Aus diesem Grund werde er nicht bei den jungen Linken auftreten.

Dafür stellte sich Voß im Juni bei der AfD vor. Um rechte Gewalt gegen geflüchtete Menschen oder anderweitige rechtsextremistische Bedrohungen ging es ihm damals aber nicht. Er sprach bei der AfD zu den Themen Islam und Islamismus.

Dafür wurde Voß von verschiedenen Seiten kritisiert. Er konterte dies im Hamburger Abendblatt so: „Die AfD ist kein Beobachtungsobjekt, sie sitzt in der Bürgerschaft, sie sitzt im parlamentarischen Kontrollausschuss und kontrolliert mich. Und ich war auf Einladungen von SPD, Grünen, FDP und der CDU schon auf mehreren Veranstaltungen von Fraktionen und Parteien.“ Selbst den „Ring Christlich-Demokratischer Studenten“, den CDU-Studierendenverbund, hat Voß in Hamburg besucht.

Herr Voß wird nicht Ihrer als verfassungsfeindlich eingestuften Organisation Gelegenheit bieten, ihre Agitation propagandistisch mit seiner Funktion zu verknüpfen

Schreiben vom Verfassungsschutz

Die Linkspartei fehlt in dieser Aufzählung, was Tavassoli aufregt. „Für uns ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung eine Selbstverständlichkeit. Diese verteidigen wir, gerade auch gegen den Verfassungsschutz“, sagt er. Dass der Staat seine Partei überwacht, kann er nicht nachvollziehen. „Einerseits zahlt uns der Staat Fördergelder, andererseits überwacht er uns. Wie passt das zusammen?“ Erklären kann sich Tavassoli das nicht, er schlussfolgert aus alldem aber, dass Voß „die Linke fälschlicherweise eben nicht für demokratisch hält“.

Voß sieht das differenzierter. Die Linke sei von ihrer Jugendorganisation zu trennen. Die Gesamtpartei werde nicht vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet, also auch nicht als verfassungsfeindlich eingeschätzt. „Lediglich die revolutionär-marxistischen Strömungen innerhalb der Partei werden vom LfV Hamburg beobachtet, wozu auch die Linksjugend (Solid) zählt“, teilte Voß mit.

Tavassoli findet dies „eine abstruse Version“, zumal der Jurastudent weiß, dass am Grundgesetz auch „Kommunisten mitgeschrieben haben, Nazis jedoch nicht“. Sein Fazit: „Beim Verfassungsschutz und BND hat es leider Tradition, dass man auf dem rechten Auge eher blind ist.“

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5 Kommentare

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  • Immer noch nicht kapiert? Im schönen Deutschland ist die Justiz der natürliche Verbündete der AfD und anderer rechter Spacken, wenn es um den Kampf gegen links geht. Und nicht nur da...

    Hurra Deutschland!!!

  • Liebe taz-Redaktion,

    egal, wo ich gerade unterwegs bin - ich lese Euch gern, auch wenn ich nicht immer einverstanden bin. Hier bei diesem Bericht bin ich es einigen Stellen nicht, weil meiner Meinung nach die journalistische Sorgfalt und Objektivität fehlt, so sehr man auch den VS kritisieren kann. Ich war zufällig bei der Veranstaltung der AfD im Rathaus dabei - beliebt gemacht bei den Organisatoren und Anhängern hat sich Torsten Voß dort nicht. Er hatte gegen die AfD einen schweren Stand, argumentierte gegen Islamophobie und rechte Vorurteile. Das mußte auch Frau Schneider, zugeben.

    Die Erwähnung von Marco Haase ohne weitere Einordnung ist in dieser Form wenig hilfreich. Ein paar Recherche-Klicks im Internet hätten genügt, um herauszufinden, daß Haase nie für die Schill-Partei aktiv war, sondern als parteiloser Fraktionssprecher nach wenigen Monaten Tätigkeit kündigte. Besser eine späte Einsicht, als gar keine... Marco Haase wurde dann Sprecher der Innenbehörde und blieb der Behörde bis heute unter allen Konstellationen (parteiloser Innensenator, CDU, Schwarz-Grün, SPD, Rot-Grün) erhalten, in verschiedenen Funktionen. Und wer eine solche Sensibilität für neurechte Bewegungen hat, wie ein Blick in folgende Mopo-Story beweist, sollte an dieser Stelle gewiss nicht kritisiert werden:

    http://www.mopo.de/hamburg/neue-rechte-das-macht-die--identitaere-bewegung--so-gefaehrlich-24600106

     

    Außerdem fehlt in der Berichterstattung ein weiterer wichtiger Punkt: Ebenfalls nur ein wenig Internet-Recherche hätte genügt, daß es deutschlandweit nur Torsten Voß und Marco Haase waren und sind, die in verschiedenen Medien darauf aufmerksam machen, daß sich innerhalb der AfD extremistische Teilstrukturen entwickeln könnten. Auch das dürfte der AfD nicht angenehm sein. Und in der Logik der Argumentation, mag man sie teilen oder nicht, würde der VS sicherlich dann nicht mehr zur AfD gehen, sofern sie, wie solid, ein sogen. Beobachtungsobjekt würde.

    • @Ela:

      Wenn Marco Haase nicht Fraktionssprecher der "Parteilosen-Fraktion", sondern der Fraktion der Schill-Partei war, dann war er für diese Partei tätig.

       

      Auch wenn er kein Parteiamt inne gehabt haben mag, so muß er doch auf deren Wahlvorschlags-Liste gewesen und somit nicht nur von den Wähler/-innen als dieser Partei inhaltlich nahestehend identifiziert worden sein, sondern auch von den Mitgliedern dieser Partei.

      • @cursed with a brain:

        Genau das habe ich auch gedacht, als ich den Beitrag von ELA gelesen habe. Wenn ich nicht mit der Schill Partei sympathisiere, werde ich nicht deren Fraktionssprecher, ob fraktionslos oder nicht. Das sagt doch einiges über die Hamburger Innenbehörde aus, die ja immer unter CDU oder SPD Führung war.

        P.s. Natürlich sagt das auch etwas über ELA aus, der das so vehement verteidigt.

  • Für mich stellt sich allerdings die Frage, welches Interesse eine "revolutionär-marxistische" Jugendorganisation haben könnte, ein Plauderstündchen mit dem Oberonkel vom Verfassungsschutz abzuhalten. Revolutionäre Linke haben normalerweise kein Problem damit, im jährlichen Verfassungsschutzbericht als gefährliche Staatsfeinde aufzutauchen - es gibt sogar Gruppen, die dies als Auszeichnung empfinden.