heute in Bremen: „Mit brutaler Gewalt“
KEINE KOHLE Die attac-Tour für eine bessere Welt ohne Kohle macht im Kukoon Station
seit 2011 freiberufliche Referentin und Aktivistin für Klimagerechtigkeit, war zuvor Deutsch- und Englischlehrerin.
taz: Frau Häussermann, warum muss der Ausstieg aus der Kohle global gedacht werden?
Dorothee Häussermann: Weil der Klimawandel ein globales Problem ist – und, weil auch die Industrie auf globaler Ebene handelt. Kohleverstromung ist ein weltweites Geschäft mit globalen Auswirkungen. Wer national argumentiert und auf die Arbeitsplätze verweist, die der Braunkohleabbau in Deutschland sichert, übersieht das.
Wieso national – das Argument lässt sich doch auch auf Kolumbien oder Südafrika anwenden, wo der Steinkohleabbau Arbeitsplätze schafft…?
Stimmt. Aber dabei handelt es sich, direkt vor Ort in den Gruben, um sehr schlecht bezahlte und gesundheitsschädliche Arbeit. Die wenigen gut bezahlten Facharbeiterjobs, die es gibt, kommen den Menschen in den Revieren dagegen gar nicht zugute. Stattdessen tragen ihre Regionen die Lasten.
Welche?
Viele: Es fängt mit den Umsiedlungen an. In der Heimat unserer Referentin Deriz Paz, in Kolumbien, wurden Dörfer entvölkert und ganze Landstriche für den Kohleabbau geräumt, mit brutaler Gewalt. Fast 3.000 Menschen wurden dafür ermordet, 60.000 vertrieben. Hinzu kommen die Umweltfolgen, die Luftverschmutzung ebenso das Wasserproblem.
…weil Steinkohleabbau sehr viel Wasser braucht?
Und das, was er nicht verbraucht, verseucht er. Davon kann gerade unsere südafrikanische Referentin Makoma Lekalakala berichten: Dort findet der Kohleabbau in ohnehin wasserarmen Gebieten statt. Das Trinkwasser muss dort mittlerweile von sehr weit her herangeschafft werden. Und zugleich wird die Kohle ja für den Weltmarkt abgebaut und dann aus Südafrika und Kolumbien hierher gebracht.
Etwa, um Hamburg Moorburg am Laufen zu halten?
Zum Beispiel, ja: Der Ausstieg aus der Kohle ist notwendig, das muss allen Beteiligten seit Jahrzehnten klar sein. Die Fakten liegen ja lange auf dem Tisch. Dennoch haben sich da selbst erhaltende Strukturen gebildet, bei denen es nicht mehr darum geht, profitabel zu wirtschaften, sondern den Zeitraum auszufüllen, den man braucht, um die Investition abzuschreiben.
Ist ein Ausstieg aus der Kohle in Südafrika oder in Kolumbien, den Heimatländern Ihrer ReferentInnen, mehrheitsfähig?
Schwer zu sagen: Das Problembewusstsein ist auch in den jeweiligen Ländern nicht überall gleich ausgeprägt. In Südafrika gibt es immerhin eine vergleichsweise strenge Umweltgesetzgebung, an deren Einhaltung man die staatlichen Stellen erinnern kann. Aber Sie haben Recht, das ist eine wichtige Frage – die unsere Referentinnen heute Abend sicher besser beantworten können, als ich.
interview: bes
Für ein gutes Leben ohne Kohle, mit Deriz Paz (Kolumbien) und Makoma Lekalakala (Südafrika), 19.30 Uhr, Kukoon, Buntentorsteinweg 29
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