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Justiz und Vorurteile„Nicht-Weißen glaubt keiner“

Eine Frau steht wegen Verleumdung von Polizisten vor Gericht. Der Fall zeigt, wie mit Opfern von Polizeigewalt umgegangen wird, sagt Biplab Basu von Reachout.

Wer hat wem Gewalt angetan? Richter glauben meist den Polizisten Foto: dpa
Interview von Susanne Memarnia

taz: Herr Basu, vor dem Landgericht sitzt am Donnerstag eine Rentnerin, Ayfer H., auf der Anklagebank. Sie hat Polizisten wegen Körperverletzung im Amt angezeigt und wurde mit Gegenanzeigen überzogen. Können Sie den Fall schildern?

Biplab Basu: Sie war mit ihrer Freundin in der Schule ihres Sohns: Er hatte dort Probleme und sollte rausgeschmissen werden. Es kam zum Streit mit dem Direktor. Der beendete das Gespräch und holte die Polizei. Die Polizisten, sagt Ayfer H., bedrängten sie, sie fühlte sich nicht verstanden. Später vor Gericht sagte ein Polizist, er habe Frau H. die Hand auf die Schulter gelegt, um sie hinauszubegleiten; sie sagt, die Berührung war so heftig, dass sie gegen die Wand fiel. Dabei habe sie wohl mit den Armen gerudert, vielleicht sei ihre Handtasche beim Fallen hochgeflogen. Aber sie habe niemals einen Beamten schlagen wollen. Am Ende jedenfalls hatte sie Prellungen an Brust und Hand, ihre Lippe war aufgeplatzt.

Aber in einem ersten Verfahren wurde sie wegen „Körperverletzung“ verurteilt.

Ja. Ihre Anzeige gegen die Beamten wurde sehr schnell eingestellt, sie aber wurde verurteilt. Das finde ich schon mal sehr ungerecht. Dazu kommt: In diesem zweiten Verfahren will der Staatsanwalt sie auch noch wegen „Verleumdung“ drankriegen. Das ist schon sehr ungewöhnlich. Es kommt ja manchmal – leider nicht so oft – vor, dass Menschen vor Gericht freigesprochen werden, die von Polizisten wegen Körperverletzung angezeigt worden waren. Aber ich habe noch nie erlebt, dass anschließend die Polizisten wegen Verleumdung angezeigt werden. Doch diesen Fall verfolgt jetzt sogar der Oberstaatsanwalt. Ich habe den Eindruck, er kämpft richtig gegen Ayfer H.

Im Interview: Biplab Basu

65, arbeitet bei Reachout, einer Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

Wie kommen Sie darauf?

Er selbst hat jetzt die Berufung angestrengt. Frau H. wurde bereits voriges Jahr wegen Verleumdung verurteilt. Dem Staatsanwalt reicht aber das Strafmaß nicht, obwohl es über 100 Tagessätze liegt und sie damit sogar vorbestraft ist. Auch der Richter, der Frau H. im Verfahren, in dem es um die Körperverletzung ging, verurteilt hat, und der im ersten Verleumdungsprozess als Zeuge geladen war, hat ausgesagt, dieser Oberstaatsanwalt sei „ein harter Hund“. Und er wisse nicht, warum er Frau H. noch weiter verfolgt. Ich verstehe das auch nicht: Die Frau hat schwere Behinderungen, ist Rentnerin und hatte nie ein Problem mit der Polizei.

Der Fall Ayfer H.

Am 14. März 2012 kommt es zu einem Streit in der Schule ihres Sohnes, die herbeigeholte Polizei behandelt H. nach ihrer Darstellung herabwürdigend. Die Auseinandersetzung eskaliert: H. wird zu Boden geworfen und fixiert. Im Krankenhaus erstattet sie Anzeige wegen Polizeigewalt. Die Polizei zeigt sie wiederum an wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlicher Körperverletzung und Hausfriedensbruch. Im März 2013 wird H. deswegen verurteilt. Beide Seiten legen Berufung ein, doch das Urteil wird in zweiter Instanz bestätigt. Das Verfahren gegen die Polizisten wird eingestellt.

2014 leitet die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen H. ein wegen Verleumdung. Im September 2015 wird sie dafür verurteilt. Die Staatsanwaltschaft legt Berufung ein. Termin: Donnerstag, 6.10.16, 12 Uhr, Landgericht, Turmstraße 91, Raum 1/621. (sum)

Ist das Ihrer Meinung nach eine Strategie der Polizei, Menschen, die Polizisten wegen Körperverletzung anzeigen, ebenfalls anzuzeigen?

Ja, und das ist auch der Grund, warum die meisten Menschen, die zu uns kommen, von einer Anzeige absehen. Die meisten spüren und haben das auch schon von anderen gehört: Gegen Polizeigewalt kannst du nicht ankommen. Niemand wird dir glauben. Sogar Richter sagen: Warum sollte ein Polizeibeamter lügen? Wenn man regelmäßig zu Gericht geht und solche Prozesse verfolgt, merkt man schnell, dass normalen Menschen, die gegen Polizisten aussagen, nicht geglaubt wird. Vor allem, wenn es Schwarze, Türken, Araber oder gar Roma sind. So ist es leider, auch wenn das niemand wahrhaben will.

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3 Kommentare

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  • Dien Geschichte mit der hochfliegenden Handtasche hört sich doch nur bedingt wahrscheinlich an. Außerdem gabt es ja noch einen Zeugen jenseits von Polizei: den Schuldirektor. Schade, dass die taz da nicht gegenrecherchiert hat. Hat er sich bereits von der Frau bedroht gefühlt?

    Ich finde es gut, dass es Organisationen gibt, die auf Rassismus vor Gericht achten und Richterinnen und Richtern den Spiegel vorhalten. Die Auswahl des Paradebeispiels scheint mir aber hier nicht gut gelungen. Zu viele Fragen bleiben offen.

  • Parallel dazu lese ich in der taz einen Artikel, in dem steht, dass man einem Nicht-Weißen zu seinen Gunsten (und "zu Lasten" der Bundesanwaltschaft) geglaubt habe: http://www.taz.de/Neue-Vorwuerfe-gegen-Bremer-IS-Aussteiger/!5343161/

    • @Trango:

      Das wird die Justiz wohl als zwar ärgerlichen, aber unvermeidbaren Kollateralschaden verbuchen.