Gastauftritt bei Bremer SPD-Klausur: SPD verhört Grüne
Bei der Tagung der SPD-Fraktion tritt Maike Schaefer auf: Die Chefin der Bürgerschafts-Grünen soll ihre Haltung zum Offshore Terminal-Projekt erklären
Zuvor hatten bereits der SPD-Fraktionsvorsitzende der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung Sönke Allers den Grünen wegen ihres OTB-Beschlusses „Unkenntnis und Ahnungslosigkeit“ unterstellt. Und die SPD-Landesvorsitzende Sascha Karolin Aulepp hatte behauptet, mit dem Beschluss solle bloß die „grüne Parteiseele gestreichelt werden“.
„Ich frage mich wirklich, ob die den Beschluss gelesen haben“, sagte am Dienstag Maike Schaefer der taz. „Wir wollen eine neue Berechnung der Wirtschaftlichkeit des OTB – aber erst, wenn das Gericht entschieden hat, dass der OTB überhaupt gebaut werden darf.“
Wie berichtet hatte der Umweltschutzverband BUND gegen das Neubauvorhaben wegen nicht zu rechtfertigenden Eingriffen in ein Naturschutzgebiet geklagt. Schaefer verweist darauf, dass im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei, das Projekt laufend zu überprüfen. Jetzt, zu einem Zeitpunkt, an dem die Wirtschaftlichkeit aufgrund einer Reihe von neuen Entwicklungen in Frage steht, sei eine solche Prüfung unerlässlich.
Grund ist, dass gerade einmal 40 Kilometer nördlich die Offshore Basis Cuxhaven schon jetzt die benötigten Anlagen bereitstellt: Das 2012 eröffnete zweite Spezialterminal ist längst nicht ausgelastet, und wird es auch nicht sein, wenn Siemens Fertigungsanlagen dort Volllast fahren. Seit Juni baut Siemens Wind Power für rund 200 Millionen Euro sein Produktionswerk für Offshore-Gondeln, -Generatoren und Naben.
Die ganze OTB-Berechnung ging aber von Siemens als wichtigstem Nutzer aus. Bleibt als zweiter Großkunde noch die Adwen GmbH. Die baut in Bremerhaven zwar weiterhin Turbinen. Doch bei der haben sich im Sommer die Besitzverhältnisse geändert. Sie gehört zur Hälfte der spanischen Gamesa Corporación Tecnológica – die Siemens im Juni aufgekauft hat. Also der Weltkonzern, der gerade seine Offshore-Aktivitäten in Cuxhaven konzentriert. Da kann es sinnvoll sein, das neue ökonomische Gesamtbild noch einmal zu besichtigen.
Das allerdings findet die SPD nicht: „Man kann doch nicht bei jeder sich verändernden Rahmenbedingung ein neues Gutachten anfordern“, sagt Tsardilidis. Die Grünen hätten sich im Koalitionsvertrag vor einem Jahr auf den Bau des OTB eingelassen und sollten diese „politische Entscheidungsgrundlage“ nicht infrage stellen.
Prof. Dr. Rudolf Hickel, Ökonom
„Ich fände es unverantwortlich, ein solches Projekt, das den Steuerzahler 180 Millionen Euro kostet, einfach durchzuziehen“, sagt Schaefer, und erinnert daran, dass die große Koalition im Bund auch die Gesetzeslage verändert hat. Zuungunsten der Offshore-Industrie. Folge: Der ursprünglich erwartete Boom bleibt bislang aus. Zweifel daran, dass sich der Markt in absehbarer Zeit wieder zugunsten der Offshore-Technik in Bremerhaven wendet, haben Schaefer zufolge auch SPD-Abgeordnete. Die würden dies aber nicht offen sagen.
Sie müssen sich dafür vom hafenpolitischen Sprecher der Linkspartei, Nelson Janßen sagen lassen, sie hätten „jeden Bezug zur Realität verloren“, wenn sie „eine Anpassung der Planung an die veränderten politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten mit aggressiver Rhetorik und verzweifelten Denkverboten verhindern“ wollten. Noch schmerzhafter für die GenossInnen: Auch Rudolf Hickel stützt die Position Schaefers. Der Wirtschaftswissenschaftler hat großen Einfluss in der Partei, nicht nur weil er er Doktorvater des heutigen Bürgermeisters Carsten Sieling ist.
Jetzt empfiehlt ausgerechnet der keynesianische Professor, die OTB-Investition noch einmal auf ihre Erfolgsaussichten zu überprüfen: „Die Forderung nach einem aktualisierten Gutachten über die Wirtschaftlichkeit des OTB durch die Grünen ist sinnvoll“, so Hickel. Erstellt werden müsse das allerdings von einem anderen Unternehmen, als der Prognos AG, von der Bremens Senat die erste Rentabilitätsberechnung fürs Projekt hatte anstellen lassen. „Die Prognos-Gutachter sind viel zu stark mit den politischen Interessen des Hafensenats verknüpft“, so Hickels Urteil.
Schaefer wird bei der SPD auch den Beschluss der Grünen-Partei zur Weservertiefung verteidigen müssen. Nach dem das Bundesverwaltungsgericht die bisherigen Pläne kassiert hat, fordert die, alle Vertiefungsgedanken zu beerdigen. Indiskutabel, findet Tsardilidis. Er hält am Ausbau von Außen-, Unter und Mittelweser fest. „Das muss man nicht ohne Not aufgeben.“
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