Rechtsradikale machen sich in Bremen unsichtbar: Senat weiß, dass er nichts weiß
Laut Innenbehörde haben sich rechte Hooligan-Gruppen aufgelöst, um staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu entgehen.
Anlass waren Ausschreitungen von 50 deutschen Hooligans beim Spiel gegen die Ukraine. Insgesamt sollen an diesem 12. Juni 150 polizeibekannte Gewalttäter aus Deutschland am Austragungsort Lille gewesen sein. Nach taz-Informationen waren mindestens vier Hooligans von „Nordsturm Brema“ bei der Europameisterschaft. So zeigen Fotos den Kopf der Gruppe, Mirko H., wie er zusammen mit zwölf Männern in der Pariser Metrostation „Grands Boulevard“ vor einer Deutschlandfahne posiert.
H. müsste auch bei der Bremer Polizei kein Unbekannter sein: Bereits 2012 war er bei „Spiegel TV“ auf einem Bild zu sehen, das rechte Bremer Hooligans zeigt. Auf dem Pullover von Mirko H. ist ein Hakenkreuz zu sehen. Auch auf diesen Beitrag bezog sich die Anfrage der Grünen: Ist nach Bekanntwerden des Bilds wegen des Tragens verfassungsfeindlicher Kennzeichen ermittelt worden?
„Ein Ermittlungsverfahren ist in der Vorgangsverwaltung der Staatsanwaltschaft Bremen nicht verzeichnet“, heißt es nun. Es könne jedoch sein, dass es hierzu Ermittlungen bei anderen Staatsanwaltschaften gebe. Wer und ob jemand ermittelt hat, weiß in Bremen offenbar niemand – weder Polizei noch Staatsanwaltschaft oder Senat.
Standarte Bremen: circa 20 Mitglieder, vermutlich 15 aus Bremen, 5 Auswärtige
Nordsturm Brema: circa 15 Mitglieder, vermutlich 7 Bremer, 8 Auswärtige
City Warriors: 5 Mitglieder, 3 Bremer, 2 Auswärtige
Farge Ultras: circa 15 Mitglieder, vermutlich 12 Bremer, 3 Auswärtige
Dabei hatte Senator Ulrich Mäurer (SPD) noch im Januar 2015 angekündigt, dass Hooligan-Gruppierungen auch Ermittlungen wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ erwarteten. Am 22. Januar 2015 war erstmals eine Hool-Gruppe mit diesem Tatbestand vor dem Bundesgerichtshof verurteilt worden. Was daraus in Bremen geworden ist? „Ermittlungsverfahren sind nicht eingeleitet worden.“ Die vorgeschobene Begründung: Zum Zeitpunkt der Aussage kündigte die Standarte Bremen an, sich auflösen zu wollen.
Dabei widerspricht sich der Senat selbst, wenn es an anderer Stelle der Antwort heißt, dass die scheinbare Auflösung der Hooligan-Gruppierungen aus „taktischen Gründen“ erfolgte – eben um einer Verurteilung als krimineller Vereinigung zu umgehen.
Wilko Zicht, einer der Fragesteller, sagte der taz: „Die Bremer Sicherheitsbehörden wissen leider immer noch zu wenig über die rechten Hooligan-Strukturen, und manchmal tun sie auch zu wenig dagegen.“ Dass man nicht über die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wisse, nachdem im Fernsehen Bilder von Bremer Hooligans mit Hakenkreuzen auf dem T-Shirt liefen, „ist schwer nachzuvollziehen“. Ebenso sollten auf die öffentliche Ankündigung von Ermittlungen tatsächlich auch welche erfolgen, so Zicht.
Immerhin dauern zu anderen Vorkommnissen die Ermittlungen an: Am frühen Morgen des 12. Juni, dem Tag des Spiels zwischen der Ukraine und Deutschland, hatten sich elf vermummte Personen der Gruppe „Gemeinsam Stark Deutschland“ getroffen, ein Verein um bekannte Bremer Hools, der sich laut eigener Website in der Nähe von HoGeSa und Pegida verortet. Sie filmten sich am Weserstadion und verteilten „Fuck-Antifa“- und „Gemeinsam Stark“-Aufkleber. Es werde noch ermittelt. Derzeit liegen laut Senat indes noch keine Erkenntnisse vor, dass diese Personen im Anschluss nach Frankreich reisten.
Sechs Tage später, und auch dazu dauern die Ermittlungen laut Senat an, gab es einen Fackelzug von 45 Personen mit grün-weißen Sturmhauben an der Uni Bremen. Auch dort wurden Parolen gegröhlt, Bengalos gezündet und „Fuck Antifa“-Aufkleber verteilt. Die Polizei hielt die Gruppe an und nahm die Personalien auf: Auch diese Gruppe sei dem Umfeld von „Gemeinsam Stark Deutschland“ zuzurechnen, hieß es.
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