Olympia-Sportler täuschen Straftat vor: Typisch Gringo, denkt Brasilien
Banditen sollen US-Schwimmer in Rio ausgeraubt haben – der Überfall wird kurz darauf als Lüge entlarvt. Rio freut's, dass mal andere in der Kritik stehen.
In Wirklichkeit waren die Herren nur zu betrunken gewesen, um auf einer Tankstelle die Klotür zu öffnen. Offenbar traten sie die Tür also ein, der vollen Blase wegen. Das Sicherheitspersonal hielt das für übertrieben und forderte die Vandalen auf, den Schaden zu bezahlen. Das taten die Schwimmer auch, schließlich zeigten die Wärter ihre Waffen. Just aus dieser Szene reimten sich die US-Boys ihren Raubüberfall zusammen.
Dumm nur, dass die vier Schwimmer gefilmt wurden, sowohl an der Tankstelle wie bei der Ankunft im Olympiadorf. Sie seien bei ihrer Rückkehr viel zu relaxt gewesen, deswegen wurden die Ermittlungen verstärkt, sagte ein Polizeisprecher.
Da auch die Aussagen der angeblichen Opfer schlecht aufeinander abgestimmt waren, ordnete eine Richterin schnelles Durchgreifen an. Zwei der Missetäter wurden aus einem startbereiten Flugzeug heraus festgenommen. Lochte war als einziger der vier aber bereits zurück in den USA, wo er die Lügengeschichte weiterstrickte. Nachdem ihre Pässe eingezogen worden waren, überlegten es sich die Schwimmer und der Verband dann doch anders – und beichteten die Lügenstory.
Oder sie waren genervt von Brasilien
Inzwischen hat sich das Olympische Komitee der USA bei den Gastgebern entschuldigt. Komitee-Chef Scott Blackmun sprach von „störender Quälerei“, die unnötig gewesen sei. Auch James Feigen, der als Einziger der vier noch in Brasilien ist, entschuldigte sich. Er einigte sich mit den Behörden auf die Zahlung von rund 10.000 Dollar an eine NGO, um das Land verlassen zu dürfen. Und beschuldigte just den sechsfachen Medaillengewinner Lochte, bei der Randale sogar noch mutwillig eine Werbetafel abgerissen zu haben. Den Sicherheitsleuten steckten sie laut James Feigen das nötige Kleingeld zu, damit diese nicht sofort die Polizei informieren würden.
Leckt mich doch am Ast! Zwei Prozent der Fläche Deutschlands sollen bis 2020 Wildnis werden. Ungezähmte, um sich greifende Natur. Wie lassen wir die Finger von unserer Umwelt? Die Reportage „Halb so wild“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21 August. Außerdem: Er war der König, er bog den Regenbogen, er sang für „Ton Steine Scherben“. Vor 20 Jahren starb Rio Reiser. Wie sich Freunde, Familie und Künstler an ihn erinnern. Und: Der schlichte Gegenspieler der Uniform. Wie der Herrenanzug zum universalen Kleidungsstück wurde. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Noch ist nicht klar, ob die drei anderen wegen Vortäuschung einer Straftat angezeigt werden. „Das einzig Wahre an ihrer Aussage war, dass sie betrunken waren“, resümierte der Polizeichef.
Das könnte sein. Oder sie waren so genervt von Brasilien, von den angeblich unfertigen Unterkünften und anderen Umständen, dass sie dem Land noch eins auswischen wollten. Es wirkt schon arrogant, eine derart ungereimte Geschichte zu erzählen und darauf zu setzen, dass die Gastgeber dies einfach durchwinken werden. In Brasilien ist die Aufregung groß.
Tenor: Typisch Gringos, lassen es sich bei uns gut gehen und treten dann nach. Da schwingt fast ein wenig Genugtuung mit, dass endlich mal die anderen kritisiert werden statt der brasilianischen Organisation der Spiele oder der Pfiffe der Fans. In den Medien wird der Fall der US-Schwimmer fast höher gehängt als die Wettkämpfe selbst. Endlich geht es um das Versagen der anderen, während die eigenen Behörden richtig reagiert haben. Diese olympische Episode macht deutlich, mit wie vielen nationalistischen Tönen diese Spiele aufgeladen sind, wie wichtig es ist, das Eigene und das Fremde zu unterscheiden.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wirtschaft aber für junge Menschen
Das Problem mit den Boomer-Ökonomen
Koalitionsverhandlungen in Thüringen
Die Brombeer-Ernte ist gefährdet
Ex-Chefinnen der Grünen Jugend
„Wir dachten, wir könnten zu gesellschaftlichem Druck beitragen“
Demografie
Es wird Zeit, reichen Rentner-Boomern ins Gewissen zu reden
Waffenlieferungen an Israel
Es geht nicht ohne und nicht mit
Ein Brief in die USA
Dear family, dear friends