Claudius Prößer sucht in den Wahlprogrammen der Berliner Parteien nach guten Ideen zum Thema Verkehr: Die Vollendung der Partylinie
Berlins öffentlicher Nahverkehr boomt. Mit mehr als 1,4 Milliarden Fahrten im Jahr 2015 haben BVG und S-Bahn alle Beförderungsrekorde gebrochen. Die S-Bahn-Krise ist Geschichte, und nach Jahren des Verschleppens hat der Senat es geschafft, einen Verkehrsvertrag für die Ringbahn mit der Bahn-Tochter abzuschließen. Die Ausschreibungen für die übrigen Teilnetze sind auf dem Weg. Der Vertrag mit der landeseigenen BVG soll 2020 ebenfalls erneuert werden, auch umfangreiche Investitionen in neue U-Bahn-Züge hat der Senat zugesagt. Wenn jetzt noch der Lückenschluss der U5 im Plan bleibt, ist Berlins ÖPNV-Welt vergleichsweise in Ordnung.
Was gut ist …
Was gut ist, kann aber noch besser werden. Muss es auch, schließlich wächst die Stadt und soll doch in gerade einmal 35 Jahren nur noch einen Bruchteil ihres heutigen CO2-Ausstoßes verursachen. In der Tat versprechen alle relevanten Parteien eine Stärkung der Netze – mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
So populär die U-Bahn bei den BerlinerInnen ist – die Christdemokraten sind die Einzigen, die konkrete Vorschläge für Erweiterungen machen: Die U8 soll ins Märkische Viertel verlängert werden, die U1 zum Ostkreuz, die U3 zum S-Bahnhof Mexikoplatz und die U7 zum BER. Die SPD bleibt pauschal („Wir prüfen mittelfristig sinnvolle Erweiterungen“), die derzeitige Opposition setzt vollends auf die Tram. Was VCD-Landesvorstand Wanja Borchert sinnvoll findet: „Ein Kilometer U-Bahn ist schließlich zehnmal teurer als ein Kilometer Straßenbahn. Ein „Sonderausbauprogramm Straßenbahn“ versprechen die Sozialdemokraten, die Grünen wollen „jährlich durchschnittlich weitere zehn Kilometer Straßenbahnnetz“ planen und das Netz deutlich in den Westen der Stadt ausdehnen.
... kann noch besser werden
Genau wie die Linken proklamieren sie den seit dem Mauerfall immer wieder geforderten Sprung über die Spree: Die M10 soll wie einst über die Oberbaumbrücke rollen, den Görlitzer Park kreuzen und durch den Reuterkiez zum Hermannplatz fahren. Es wäre die Vollendung der „Partylinie“.
Die Piraten waren es, die das Thema „fahrscheinloser Nahverkehr“ in der zu Ende gehenden Legislaturperiode konsequent beackert haben. Heraus kam das leicht verwässerte Modell eines solidarisch finanzierten Tickets für alle – aber dass die sympathischen Nerds wieder ins Parlament einziehen, ist ohnehin ziemlich unwahrscheinlich. Dafür haben Grüne und Linke angebissen: Auch sie machen sich für Modelle stark, bei denen alle einen Beitrag leisten, sodass die Schwächsten sogar kostenlos mobil sein könnten.
Eine schnelle Realisierung stellen beide wohlwissend nicht in Aussicht.
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