piwik no script img

Terror in Hannover

ATTACKE Geheimnisverrat, Missachtung des Parlaments: Bei der Aufklärung eines möglichen Anschlag des „Islamischen Staats“ fahren Niedersachsens Regierung und Opposition schwere Geschütze auf

Im Fall des Terrorverdächtigen Saleh S. hat die Staatsanwaltschaft Hannover Ermittlungen wegen Geheimnisverrats aufgenommen. Grund ist ein Bericht der in Niedersachsens Landeshauptstadt erscheinenden Neuen Presse: Darin war spekuliert worden, der heute 18-Jährige könne „den ersten IS-Terroranschlag auf deutschem Boden“ verübt haben.

Aktuell untersuchten die Ermittlungsbehörden aber noch, ob der Jugendliche am 5. Februar tatsächlich zwei Brandsätze vom Parkdeck der Ernst-August-Galerie geschleudert hatte, die an Hannovers Hauptbahnhof grenzt, sagt Staatsanwaltschaftssprecher Thomas Klinge. Dabei seien zwei Menschen leicht verletzt worden. Auch Verbindungen zur Terrororganisation des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS) würden überprüft. Der Zeitungsbericht sei geeignet gewesen, diese Untersuchung zu gefährden, begründet Klinge die Ermittlungen wegen Geheimnisverrats.

Saleh S. ist der Bruder der 16-jährigen Safia, die am 26. Februar einen Bundespolizisten mit einem Messer attackiert hat – der Beamte wurde bei der Attacke im Hauptbahnhof schwer verletzt. Zumindest das Mädchen hatte offenbar schon seit Jahren Kontakt zu radikalen Islamisten: Im Internet kursiert ein Video, das sie bereits als Siebenjährige neben dem radikalen muslimischen Prediger ­Pierre Vogel zeigt.

Anfang der Woche hatten Niedersachsens Sicherheitsbehörden einräumen müssen, dass ihnen dieses Video schon vor dem Messerangriff bekannt war – Safia S. und ihre Familie hätten also vor der Tat beobachtet werden können. Dennoch gelang es ihrem Bruder Saleh, in die Türkei zu reisen, wo er unter dem Verdacht, sich dem IS anschließen zu wollen, vorübergehend festgenommen wurde.

Derzeit sitzt er in der geschlossenen Psychiatrie, nachdem er bei einem Klinikaufenthalt im Juni einen Mitpatienten angegriffen hatte.

Die Landtagsopposition aus CDU und FDP vermutet wegen der Messerattacke von Salehs Schwester Safia und der bis heute nicht schlüssig begründeten Absagen des Fußball-Länderspiels in Hannover sowie des Braunschweiger Karnevals­umzugs Sicherheitspannen. Sie hat deshalb einen Untersuchungsausschuss erzwungen. Der rot-grünen Landesregierung wirft sie vor, die Informationsrechte des Parlaments zu missachten.

Im Rechtsausschuss hatte ein Vertreter des Justizministeriums den Abgeordneten erklärt, über den Verdacht gegen Saleh S. informiere er nur wegen des zuvor erschienenen Zeitungsberichts: „Wenn der Fall nun nicht öffentlich bekannt wäre, würde ich auch jetzt nicht darüber unterrichten“, zitiert die Nachrichtenagentur dpa Abteilungsleiter Thomas Hackner – „auch nicht im vertraulichen Teil“. WYP

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen