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US-Wahlkampf mit Donald TrumpEin Gefühl wie am Pokertisch

„Ich weiß“, sagt Dave Swanger, „ein Milliardär in der Ecke der kleinen Leute, das klingt komisch.“ Trotzdem setzt der Bauarbeiter diesmal auf Trump.

Donald Trump trifft am 12. August 3016 in Altoona, Pennsylvania, ein Foto: reuters

Altoona taz | Dass Dave Swanger ein Fan von Donald Trump ist, lässt er sich nicht gleich anmerken. Andere tragen T-Shirts, die Motive der US-Waffenlobby zeigen oder auf denen steht, dass Amerika wieder groß werden soll und Hillary Clinton ins Gefängnis gehört. Dave Swanger aber läuft, ohne dass er sich darüber Gedanken gemacht hätte, Reklame für ein altes Casino in Havanna.

Nur langsam trocknen die Schweißflecken auf dem blassroten Stoff seines T-Shirts, das vorne Spielkarten und hinten exotische Palmen zeigt. Wie alle hier in der Kongresshalle auf einem Hügel über der Stadt Altoona, hat Swanger vorher gut sechzig Minuten bei brütender Hitze für die Wahlveranstaltung der Republikaner mit Donald Trump angestanden. Dass sie seinem Auftritt entgegenfiebern, kann man nicht sagen. Alle im Saal sind verschwitzt, manche vom Warten noch immer erschöpft.

Dave Swanger also, 59 Jahre alt, schwielige Hände, der Nacken sonnenverbrannt. Red­necks nennt man Malocher wie ihn, nur dass Swanger ein höflicher Mensch ist, nicht das Raubein des Redneck-Klischees.

Er sei ein „Union Guy“, sagt er gleich zu Beginn. Gewerkschafter, seit 1992 organisiert bei den United Steelworkers, die nicht nur Stahlwerker aufnehmen, sondern auch Bauarbeiter wie ihn. Stolz, aber auch desillusioniert. Die Gewerkschaften, klagt Swanger, hätten keinen Biss mehr. „Wenn du heute ein Problem hast, ist es, als würdest du nur auf einem Bein stehen.“

Stets hat der „Union Guy“ demokratisch gewählt

Im November will er Trump wählen, für ihn der Boss, der sich schon irgendwie kümmern wird. „Ein Milliardär in der Ecke der kleinen Leute, ich weiß, das klingt komisch“, sagt er und verzieht das Gesicht, als habe er Zahnschmerzen. Dennoch ist er bereit, dem Mann eine Chance zu geben. Er sei so oft enttäuscht worden, da setzt er jetzt einmal auf diese Karte.

Vielleicht wird ihn auch Trump enttäuschen, ausschließen will Swanger die Möglichkeit nicht. Dann wäre es eben ein Déjà-vu. Mal hört er Gutes, mal Schlechtes über den Tycoon mit seinen Immobilien, seinen gescheiterten Casinos, seinen Golfclubs. „Ich sehe die Sache so“, sagt Swanger: „Er hat ganz sicher mehr Gewerkschaftsmitglieder angeheuert, als es je ein Politiker getan hat.“

Seit 1992 hat Penn­sylvania ausnahmslos demokratischen Präsidentschafts­bewerbern den ­Zuschlag gegeben

Die Entscheidung fällt ihm nicht leicht, es fühlt sich ein wenig so an, als ließe er seinen Clan im Stich. Ein Leben lang hat Swanger Demokraten gewählt, noch nie Republikaner. Doch will er sich durch nichts mehr beirren lassen und alles ausblenden, was ihn noch umstimmen könnte. Trumps rhetorische Ausfälle? Dass er Präsident Barack Obama als Gründer des IS bezeichnet hat? „War das nicht eher sarkastisch gemeint, versteht dieses Land keine Ironie mehr?“, wiederholt Swanger die Worte, mit denen sich der Kandidat zu rechtfertigen versucht.

Verfall des Rostgürtels

Trump soll Swangers Heimatstadt Altoona aus der Malaise holen. Irgendwie. Das ist alles, was im Moment für den „Union Guy“ zählt.

Altoona, das war mal ein Name, der die rasante Industrialisierung der Neuen Welt symbolisierte. Der Ort wurde berühmt, als die Pennsylvania Railroad Mitte des 19. Jahrhunderts ein gleistechnisches Wunderwerk in die Berge der Appalachen bauen ließ, die viel bewunderte Hufeisenkurve. Das führende Baseballteam der Region ist bis heute nach der Kurve benannt. Zur Blütezeit hatte Altoona 82.000 Einwohner, heute sind es nur noch halb so viele. Mögen andere Landstriche aufblühen, Altoona steht für den Verfall des Rostgürtels, für den Niedergang der Old Economy.

Trump skizziert die Lage so, als wäre Amerika ein einziges Altoona. Gewinnt er im November den Bundesstaat Pennsylvania, hat der Republikaner eine reelle Chance, ins Weiße Haus einzuziehen, orakelt Swanger. Kein Wunder, dass der Baulöwe von einer Industrieruine zur nächsten tourt. In der Hoffnung, einen echten Coup zu landen: Seit 1992 hat Pennsylvania immer nur demokratischen Präsidentschaftsbewerbern den Zuschlag gegeben.

Müde Obama-Witze

Auf der Bühne gibt der republikanische Abgeordnete Bill Shuster den Vorredner für Trump, den er als „Retter der Nation“ preist. Dann spottet er über Obama, der 2008 nach Altoona kam, um nachzuweisen, dass er mit den Rednecks gar nicht so fremdelt. Das Kleinstadtmilieu Pennsylvanias, hatte Obama zuvor etwas kühl vor Spendern doziert, klammere sich in seiner Verbitterung an Gewehre und Gott. Um dies wiedergutzumachen, versuchte er sich in Altoona im Kegeln, obwohl er darin keinerlei Übung hatte. „Meist hat er die Kugel in die Rinne gesetzt“, erinnert Bill Shuster seine Zuhörer.

„Ach, Daddys Söhnchen ist wieder mal in Hochform“, lästert Swanger. Bill Shuster sitzt seit 2001 im US-Kongress, wo er seinen Vater Bud nahtlos ablöste. Politiker, gleich welcher Partei, gibt Swanger zu verstehen, gehen ihm gerade ziemlich auf die Nerven, besonders wenn sie dynastische Ambitionen hegen.

Dann ist Trump an der Reihe und spricht, wie schon so oft, vom Mauerbau an der Grenze zu Mexiko. „Baut die Mauer! Baut die Mauer!“, schallt es durch die Halle, eher müde als begeistert. Als nächstes wettert der Redner gegen Hillary Clinton, und wieder ertönt der zusehends ermattende Chor: „Sperrt sie ein!“ Sperrt sie ein!“ Irgendwann wird es langweilig, Hunderte verlassen den Saal, bevor Donald Trump zu Ende gesprochen hat.

Donald Superstar einmal gesehen zu haben, das reicht vielen schon. Dave Swanger hat weder gejubelt noch in einen der Sprechchöre eingestimmt.

„Wir brauchen einen Unternehmer. Basta“

Draußen warten die Besucher auf einen Shuttle-Bus, der sie in die Stadt zurückbringen soll. Bei dieser Hitze zu laufen, ist Alison Roberts, etwa Mitte 40, mit ihren mindestens dreißig Kilo Übergewicht, zu anstrengend.

Um die Krise zu schildern, zählt sie Firmennamen auf: SKF, General Cable, McLanahan. SKF, ein schwedisches Unternehmen, hat 2003 eine Kugellagerfabrik in Altoona geschlossen: 280 Jobs weniger. General Cable verlagerte 2015 die Produktion von Zündkabeln aus Altoona nach Mexiko: 160 Stellen gestrichen. Der Maschinenbauer McLanahan, noch vor dem Bau der berühmten Hufeisenkurve gegründet, wird sein Werk in Altoona womöglich bald schließen. „Das Ding hat dieser Region den Todesstoß versetzt“, schimpft Alisons Mann Bill und meint Nafta, die Freihandelszone zwischen den USA, Mexiko und Kanada. „Jeder hier lebt nur noch von der Hand in den Mund.“

Alison und Bill Roberts richten Küchen ein. Die Geschäfte ihres Familienbetriebs laufen nicht gut, es mangelt an zahlungskräftiger Kunden. Wer früher in den Fabriken ordentlich verdient hat und sich einen Küchendesigner leisten konnte, erzählen sie, bekämen heute fürs Regale-Einräumen bei Walmart keine zehn Dollar pro Stunde. Alison Roberts hat beschlossen, umzusatteln und sich zur Krankenschwester ausbilden zu lassen. „Wenn ich fertig bin mit dem College, bin ich um 47.000 Dollar an Schulden reicher“, sagt sie in einem Anflug von schwarzem Humor.

Trump ist „der Typ mit der Brechstange“, sagt sie, „manchmal braucht man eben so einen. Einige sind beleidigt, weil er so direkt ist. Aber vielleicht will er ja wirklich was bewegen, sonst wäre er nicht mit solchem Eifer bei der Sache.“ Alisons Mann Bill sagt: „240 Jahre lang ist dieses Land von Politikern regiert worden. Was wir jetzt brauchen, ist ein Unternehmer. Basta.“

ObamaCare greift nicht

Die Politiker, so sieht es Dave Swanger, ohne sich die Mühe des Differenzierens zu machen, haben Menschen wie ihm zu oft einen Bären aufgebunden. Bei Barack Obama war es die Sache mit der Krankenversicherung. Als der Streit um die Gesundheitsreform tobte, gab der Präsident das Versprechen, dass jeder seine alte Police behalten könne, wenn er damit zufrieden sei. Swanger war zufrieden, er war über seinen Arbeitgeber versichert.

Dann wechselte er die Firma, weil es rund um Altoona kaum noch Baustellen gab. Er bessert jetzt Straßen aus, in einem Betrieb, der zu klein ist, als dass er seine Beschäftigten dem Gesetz nach versichern müsste. Zwar springt nun der Staat Pennsylvania ein, doch zu schlechteren Konditionen: Die Zuzahlungen beim Arzt, die Swanger leisten muss, seit er vor einem Jahr eine leichte Herz­attacke hatte und nun regelmäßig Medikamente braucht, wachsen ihm über den Kopf. „Die Regierung hat gelogen. Für mich war es der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.“

Ob es wirklich aufwärts geht, sollte ein Präsident Trump im Oval Office regieren? „Ich weiß es nicht, wirklich nicht“, gibt Dave Swanger ehrlich zu. Er fühle sich, als sitze er in einem Casino am Pokertisch. Ob Trump nur blufft oder ein gutes Blatt hat, man werde es sehen.

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