DER GEWALTAUSBRUCH IM KAUKASUS KOMMT NICHT ÜBERRASCHEND: Hausgemachter Terrorismus
Der Angriff militanter Einheiten auf staatliche Einrichtungen in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien kommt nicht überraschend. Seit mehreren Jahren herrscht Unruhe in der Bergrepublik, ohne dass Moskau die alarmierenden Entwicklungen sehen wollte. Der schwelende Konflikt zwischen Republikführung und radikalen Islamisten ist auch eine Folge des Tschetschenienkrieges, der inzwischen fast alle islamisch kaukasischen Nachbarrepubliken in Mitleidenschaft gezogen hat. Doch der Krieg allein erklärt nicht, warum sich junge Leute in der Region radikalen und militanten Gruppen zuwenden.
Kabardino-Balkarien ist eine der ärmsten Regionen Russlands. Seit anderthalb Jahrzehnten wird die Republik von einem Clan beherrscht, der seine wirtschaftlichen und politischen Interessen auf brutale Weise durchsetzt. Das Regime in Naltschik schüchtert Andersdenkende ein, überwacht und bespitzelt sie. Dabei nutzt das Regime den vom Kreml verordneten Kampf gegen den Terror, um eigene Interessen durchzusetzen. Wie in allen kaukasischen Republiken sind auch in hier Politik, Geschäft und Verbrechen einer kleinen moskautreuen Clique eng miteinander verbunden.
Noch vor wenigen Jahren gab es keinen militanten Fundamentalismus in der Region. Erst korrupte Politiker haben den Radikalismus für junge Leute attraktiv gemacht. Moscheen und Versammlungsorte wurden geschlossen und die Jugend in den Untergrund gezwungen. In Kabardino-Balkarien hatte dies Methode. In Naltschik kursieren Listen, auf denen hunderte von vermeintlichen Extremisten geführt werden, die verfolgt und drangsaliert werden. Oft reicht es schon, ein gläubiger Muslim zu sein, um auf der Liste zu landen. Die Brutalität der Sicherheitskräfte unterscheidet sich nicht vom Vorgehen der russischen Armee in Tschetschenien. Dass junge Leute sich militanten Gruppen anschließen, weil sie aufgrund der Kaukasierfeindlichkeit in Russland keine Chance haben, ist zumindest nachzuvollziehen. Terrorismus in Russland ist hausgemacht und nicht selten Kalkül. KLAUS-HELGE DONATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
