EMtaz: Die Welt zu Gast in Europa: Fans aus Fernost
Nicht alle Ronaldos können Portugiesisch. Denn viele Fans bei dieser EM kommen nicht aus Europa. Das ist sehr angenehm.
Ronaldo kann kein Portugiesisch. Das hat mich schon verblüfft, als ich das auf dem Weg ins Stadion in Lyon mitbekam. Ich spreche jetzt nicht vom derzeit bekanntesten Portugiesen, sondern dem Mann, der im Trikot von Ronaldo in der Bahn von vermeintlichen Landsleuten angesprochen wurde und nur mit den Schultern zuckte. Er komme aus Israel erklärte er. Auf Englisch.
Ich habe in Lyon auch einige asiatische Fans in Portugaltrikots gesehen. Die Asiaten sind sowieso erstaunlich aktiv bei diesem Kontinentalturnier. Mit Japanern und Chinesen habe ich meine Unterkunft geteilt. Sie sind früh morgens gleich weiter nach Marseille zum anderen Halbfinale Frankreich – Deutschland gereist. Und der chinesische Portugalfan hat sich von einem Tag auf den anderen in einen chinesischen Frankreichfan verwandelt. Aus Ronaldo wurde Payet.
In Zeiten, in denen die nationalistischen Töne wieder schriller werden, kann man nur dankbar für dieses außereuropäische Interesse sein. Mir gefällt die Vorstellung, dass ich bei der nächsten WM in Russland vielleicht 20 Japaner im Deutschlandtrikot treffe, die singen: „Die Nummer 1 der Welt sind wir.“ Und auch in Flüchtlingsheimen sollte künftig dieser deutsche Hit mitangestimmt werden.
Das wäre eine gute Nagelprobe, wie entspannt der deutsche Fan wirklich mit dem Nationalismus umgeht. Gut möglich, dass für viele der Spaß da aufhört. Selbst trägt man ganz ironisch Pickelhauben aus Plastik, aber wenn das die Chinesen oder Japaner machen, fühlen sich manche vielleicht plötzlich doch verarscht. Die Quote der AfD-Wähler im deutschen Fanblock dürfte kaum von den derzeit üblichen Durchschnittswerten abweichen. Und wenn doch, dann in eine eher nicht so vorteilhafte Richtung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!