portrait: Der Schütze von Dallas
Es gibt ein Foto, das Micah Johnson in bunt besticktem Gewand mit gereckter Black-Power-Faust zeigt, eher melancholisch als wütend in die Kamera blickend. Das Bild hat er auf seine Facebook-Seite gestellt. Jetzt soll es dazu beitragen, Antworten auf die Frage zu finden, warum ein 25-jähriger Afroamerikaner im Zentrum einer Großstadt ein Blutbad anrichtet und dabei systematisch Polizisten ins Visier nimmt.
Micah Xavier Johnson, der sich am liebsten X nannte, nach seinem zweiten Vornamen, scheint sich akribisch vorbereitet zu haben auf seine Tat. Das zumindest glauben die Ermittler aus einem Tagebuch des 25-Jährigen herauslesen zu können, das in dem Haus gefunden wurde, in dem er gemeinsam mit seiner Mutter lebte, in Mesquite, einer Satellitenstadt am Rande von Dallas. Als er die Polizisten in Dallas attackierte, verschanzte er sich in einem Parkhaus und feuerte von oben auf die Beamten in den Straßen, wechselte seinen Standort und schoss erneut.
Wenn stimmt, was Nachbarn erzählen, dann hat er den Garten des Anwesens in Mesquite als eine Art militärischen Übungsplatz benutzt, übrigens bereits vor den Polizistenschüssen auf Schwarze in Louisiana und Minnesota, in denen manche ein Tatmotiv sehen. In seiner Wohnung fand die Polizei zudem ein umfangreiches Arsenal von Waffen, Munition und Material zum Bau von Bomben.
2009, unmittelbar nach dem Highschool-Abschluss, ging Johnson zum Militär. Von Herbst 2013 bis Sommer 2014 war er im Einsatz in Afghanistan. Wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung einer Soldatin wurde er vorzeitig nach Hause geschickt.
Nach seiner Rückkehr vom Hindukusch soll er sich nach und nach radikalen afroamerikanischen Gruppen zugewandt haben, obskuren Nachfolgern der Black-Power-Bewegung der sechziger Jahre, die die Polizei in Amerika pauschal als Instrument der Unterdrückung von Schwarzen begriff.
Eindeutige Beweise für seine Mitgliedschaft in einer dieser Organisationen gibt es nicht, doch auf seiner inzwischen gesperrten Facebook-Seite waren Hinweise zu sehen, dass er mit ihnen zumindest sympathisierte.
Ausland SEITE 9
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