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Reise-SchnäppchenTrip ins Märchenland

Acht Tage schon ab 149 Euro – so werben Reiseanbieter für Billigreisen in die Türkei. Eine Fahrt nach Kappadokien „zum Vorteilspreis“.

Im Bus durch die Türkei Foto: imago/Volker Preuß

Junge Frauen servieren mit routiniertem Lächeln Tee, Kaffee und Fladenbrot. Die Bustouristen haben auf Bänken Platz genommen. Schwungvoll rollen Helfer Teppiche aus, bis fast 40 Knüpfwerke über den Fußboden des Verkaufsraums verteilt sind. Die Preise gehen bei 5.000 Euro los. „Sie brauchen erst bei Auslieferung in Deutschland zu zahlen!“, ruft der Geschäftsführer. Preisnachlass gibt es aber nur bei Zahlung hier und jetzt.

Tag vier der Kaffeefahrt durch Kappadokien, das Herzland der Türkei. Besuch einer „landestypischen Teppichmanufaktur“. „Kommen Sie mit uns auf eine Reise ins Märchenland!“, hatte der Reiseveranstalter gekobert. Eine „achttägige Erlebnisreise zum Vorteilspreis“ ab 149 Euro. Der Einstieg in die Verkaufsshow: ein Vortrag des Geschäftsführers über Merkmale hochwertiger Teppiche. Vor den Teppichhändlern in Deutschland warnt er in perfektem Deutsch: „Die verkaufen Ihnen Wollteppiche als günstige Seidenteppiche.“ Teppiche sind Wertanlagen, doziert er und raunt, dass die Preise bald anziehen würden.

Trotzdem will niemand aus der neunköpfigen Reisegruppe einen kappadokischen Teppich. Die zwei Studentinnen aus Göttingen sind der leibhaftige Käuferstreik, andere sind vorgeschädigt oder durchschauen die Tricks. „Wir haben schon mal was überhastet gekauft“, erzählt eine Dame vom Niederrhein. Eine Kölnerin ist misstrauisch. „Nachher sehen wir das in Deutschland für die Hälfte!“

Im Preis der Reise ins „Märchenland“ enthalten sind Billigflug nach Antalya, sieben Nächte in Hotels mit vier oder fünf Sternen, Frühstück, Busrundreise, Eintritte, Transfers, deutschsprachige Reiseleitung. Einzelzimmerzuschlag: 70 Euro. Pakete für Mittag- oder Abendessen: um die 100 Euro. Die Kampfpreise für die Tour sind nur möglich, solange die Teilnehmer in Kaufekstase geraten, erst beim Teppichbasar, später in einem Ledermodenladen und einem Schmuckpalast.

Allein reisen

Die Tour: Kappadokienreisen bieten auch namhafte herkömmliche Reiseveranstalter. Allerdings sind auch dort im Programm meist Besuche von Teppichfabriken integriert. Preis pro Person im Doppelzimmer ca. 800 Euro (saisonabhängig) inklusive Hin- und Rückflug nach/von Antalya, Hotel, Rundreise, Halbpension. Alternativ eigene Anreise per Flug nach Antalya von verschiedenen deutschen Flughäfen. Von Leipzig ab ca. 150 Euro (u. a. Turkish Airlines, Pegasus). Vor Ort Mietwagen oder Reisebus.

Nicht alle Touren gehen nach Kappadokien, aber alle in die Türkei. So locken mal die „Höhepunkte der Ägäis-Küste – von Troja bis Ephesus“ ab 129 Euro, mal „Istanbul und weitere Glanzlichter der Westtürkei“ ab 199 Euro. Ein Ziel ist immer gleich: die Verkaufsshows. Die Hotels lasten mit den Kulturhoppern ihre Zimmer aus. Weiter schmilzt der Buchungspreis, weil die Geschäfte Prämien an die Reiseveranstalter zahlen, die ihnen die Kunden in die Läden karren.

Tag zwei: Ausflug zu den Felsenkirchen von Göreme, Kappadokiens Weltkulturerbe. Die comicbunten Fresken zeigen allerlei Biblisches. Kappadokien war ein frühes Zentrum des Christentums. Ab dem 6. Jahrhundert, als Araber einfielen, gruben Kappadokiens Christen Kirchen, Klöster und Häuser in das weiche Vulkangestein. Der Reiseleiter, nennen wir ihn Imre, hat zur Religion ein gespanntes Verhältnis. Als eine Dame die Situation der Christen in der Türkei kritisiert, bläfft er: „Es gibt hier keine Christenverfolgung!“ Auch der Islam bekommt sein Fett weg: „Der Islam ist der Faschismus des Orients!“

Gewinnspanne für die Händler

Imre, Mitte 30, ist gebürtiger Kappadokier und pendelt als Reiseleiter zwischen Österreich und der Türkei. Politik und Geschichte hat er studiert, später Touristik aufgesattelt. Vom Militärdienst in der Türkei desertierte er dreimal. Seit 2000 lebt er in Österreich. Die Türkei unter Erdoğan skizziert er so: „Früher wurde zu Hause gebetet und draußen gefeiert. Heute wird Alkohol nur daheim getrunken, gebetet wird in der Moschee“ – um dort gesehen zu werden. „Die Türkei ist ein Schiff, das nach Osten fährt, und auf dem Schiff laufen die Passagiere nach Westen.“

Tag sechs. Von Göreme durch das Taurusgebirge. Der Bus nähert sich Konya, Zentrum Kappadokiens, Hochburg des Islam. Imre berichtet von Anlagebetrügern, die frommen Türken in Haustürgeschäften gottgefällige Anteilsscheine aufschwatzten, mit Gewinnbeteiligung an einer Autofabrik statt vom Koran untersagter Zinsen. „Die Fabrik war fingiert“, erzählt Imre.

Zurück an der Ägäis. Nächster Halt: Antalya. Ein Schmuck- und Uhrenpalast. Glasvitrinen mit Goldschmuck, Juwelen und Nobeluhren. Erst ein Werbereferat vom Direktor über Goldschmiedearbeit, dann die Auflockerungswitze. „Was ist der Traum jeder Frau und der Albtraum jedes Mannes? – Ein Diamant!“ Eine Stunden dürfen die Touristen hier schauen.

Später lüftet Imre das Geschäftsgeheimnis. Etwa 900 Euro muss ein Tourist in den Läden insgesamt lassen, damit sich das Geschäft der Türkei-Kaffeefahrten rentiert. Darin stecken etliche hundert Euro Extra-Gewinnspanne für die Händler. Und für welche Summe ließe sich die Reise samt Flug ohne Basar-Intermezzi bewerkstelligen? „350 Euro“, sagt Imre.

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