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Pathetische Zeiten

Union CDU und CSU waren eigentlich zusammengekommen, um sich vom Tagesgeschäft zu lösen. Doch der EU-Austritt der Briten kam dazwischen

Was mache ich hier eigentlich neben dieser Frau? Horst Seehofer auf Versöhnungskurs Foto: Ralf Hirschberger/dpa

Aus Potsdam Christina Schmidt

Angela Merkel hat ein Kommunikationsproblem. Sie redet, aber anfangs kann sie niemand verstehen. Ihr Mikrofon ist aus. Sie hat vergessen, es einzuschalten. Neben ihr sitzt Horst Seehofer und guckt. Dabei geht es bei diesem Treffen der Parteispitzen in Potsdam darum: Können Merkel und Seehofer noch miteinander diskutieren oder streiten sie nur? Gibt es genügend Gemeinsamkeiten bei CDU und CSU, um in einer Union zu verbleiben? Haben sie eine gemeinsame Botschaft für ihre Wähler?

Merkel beantwortet diese Fragen mit Ja. „Intensiv, sehr ernsthaft und konstruktiv“, seien die Gespräche gewesen, sagt sie, als man sie schließlich verstehen kann. „Immer getragen vom Willen, eine Lösung zu entwickeln“, sagt Merkel. Sie hätten nichts Geringeres debattiert als die ganz großen Fragen. „Mega­trends“ nennt sie das. Die weltweite Bevölkerungsentwicklung, Umwelt und Ressourcen, Zusammenhalt der Gesellschaft, Digitalisierung und Innovation. „Die Menschen in so einer Zeit zu führen und zu lotsen ist eine der großen Aufgaben.“ Konkrete Inhalte? Positionen? Darüber spricht Merkel nicht.

Eigentlich waren die Parteispitzen zusammengekommen, um sich vom Tagesgeschäft loszulösen. Das Thema Flüchtlinge, das monatelang das Klima zwischen den Schwesterparteien vergiftet hatte, stand bei der Tagung nicht im Mittelpunkt. CDU und CSU hatten bereits im Vorfeld der Tagung vereinbart, ihren Streit über die Flüchtlingspolitik in Potsdam nicht weiterzuführen.

Die Gruppe aus rund 20 Teilnehmern, die Parteivorsitzenden und ihre Stellvertreter, Unionsministerpräsidenten, Generalsekretäre, der CSU-Grundsatzbeauftragte und die CSU-Landesgruppenchefin wollen ihre Potsdamer Thesen in neue Gremien weiterleiten. Es sollen Konferenzen zu den einzelnen Themenfeldern stattfinden, erklärt Merkel, an denen zivilgesellschaftliche Organisationen teilnehmen – die Ergebnisse münden dann, vielleicht, in ein gemeinsames Wahlprogramm. Vielleicht.

Doch das britische Referendum über den EU-Austritt dominierte die Tagung. Merkel bekräftigt ihre Haltung: Großbritannien soll ein wichtiger Partner bleiben. Der Austrittsprozess soll nicht ewig dauern, „aber ich würde mich nicht wegen kurzer Zeit verkämpfen“, sagt sie dazu. Für Eile seien zu viele Fragen offen.

„Es muss sich in Europa etwas verändern“, sagt Seehofer. Weniger Bürokratie, weniger „kleine Alltagsfragen“, mehr große Themen. Flüchtlinge, Klimaschutz, Wasserknappheit, zum Beispiel. „Dafür haben die Gründerväter die Europäische Union gedacht.“ Angela Merkel sagt: Kein Land Europas sei in den „großen Fragen“ in der Lage, „Herausforderungen alleine zu bewältigen“.

CDU und CSU hatten bereits im Vorfeld der Tagung vereinbart, ihren Streit über die Flüchtlingspolitik in Potsdam nicht weiterzuführen

Merkel und Seehofer sind sich also in einem einig: Es sind Zeiten, die Pathos verlangen. Aber was heißt das ganz praktisch für die eigene Union, die Gemeinschaft der beiden Parteien?

Die CDU-Chefin setzt auf Kommunikation. „Alles, was wir tun, ist, den Menschen ein Gefühl zu geben, dass die Politik ihre Sorgen und Ängste ernst nimmt.“ Ihre Botschaft: Wohlstand, Sicherheit, alles da – und soll auch bleiben.

Seehofer setzt auf Provokation. Journalisten möchten wissen: Bekennt er sich denn nun zu Merkel als gemeinsame Spitzenkandidatin für die Wahl 2017? „Eine Europameisterschaft beginnt nicht mit dem Finale“, sagt Seehofer. „Wir sind jetzt in der Gruppenphase und dann sehen wir weiter.“ (mit dpa)

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