Offener Tisch Wer nicht kochen kann, kauft sich eben einen Grill. Dabei gibt es kulinarisch nichts Langweiligeres als verkohlte Würste. Eine Gegenstrategie für das Essen im Freien: Männer, die auf Würste starren
Von Philipp Maußhardt
Der Sommer fängt erst an, und für mich klingt das wie eine Drohung: Grillsaison. Über allen Hügeln ist Ruh, und aus allen Wipfeln riechst du den Rauch. Warte nur! Balde grillest du auch.
Alle tragen jetzt ihren Grill in die Grünanlagen, an die Baggerseen oder auf den Balkon und ganz Deutschland versinkt im Grillsmog wie unter einer Käseglocke. Die Europameisterschaft tut ihr Übriges, um auch noch die letzte freie Terrasse mit einem Weber-Grill zu bestücken. Thomas Müller, der deutsche Fußballnationalspieler, ist Werbeträger für ganz Grill-Deutschland. Eine Nation im Auflegerausch. „Wir haben alles für dein Grillevent“, wirbt Müller für Weber in Holperdeutsch.
Nichts gegen ein gut gegrilltes Steak – einmal im Monat. Aber es ist ein Wahn, dass man alles, was zwei Seiten hat, auf den Rost legen muss. Sie grillen jetzt sogar Marshmallows und Gummibärchen, und Burda testet, ob die Zeit für eine regelmäßige Grill-Zeitschrift reif ist, während die Bild-Zeitung ihr Sonderheft Der Griller zum Glück erst für den August angekündigt hat.
Mir kommt diese Gruppenzwang-Grillerei sehr verdächtig vor. Ich vermute, dahinter stecken nicht die Amerikaner und auch nicht die Kondensstreifen-Industrie. Dahinter steckt schlicht die Tatsache, dass viele Menschen in diesem Land nicht mehr kochen können. Grillen ist die perfekte Tarnung. Man muss nur mit einer großen Gabel das fertige Grillgut im richtigen Moment wenden. Dazu werden dann BBQ-Saucen aus dem Supermarkt serviert. Ich habe alle meine Freunde in diesem Jahr gebeten, mich mit einer Einladung zur Grillparty zu verschonen.
Zum Spiel Kroatien gegen Spanien hatte ich zu einem Anti-Grill-Abend in den Hinterhof eingeladen. Eine Paella ist die passende Antwort auf die grassierende Grillidiotie. Sie sieht nicht nur besser aus als eine verkohlte Bratwurst, sie schmeckt auch besser. Und zur Vorbereitung braucht es nicht viel länger als einen vom Vortag verdreckten Grill zu putzen.
Einige meiner Gäste hatten besorgt angefragt, ob da Muscheln drin sind. Sie essen keine Muscheln. Okay, dann eben ohne. Andere riefen an, sie hätten gehört, dass Kaninchenfleisch zu einer Paella gehöre. Sie essen kein Kaninchen. Übrig blieb eine Sparpaella nur mit Hühnchen. Zum Glück war kein Vegetarier oder Veganer dabei, sonst wäre ich verzweifelt.
Wobei Rezepte mit Hühnchen mich regelmäßig zum Weinen bringen. Ein einigermaßen artgerecht gehaltenes Tier kostet das Vierfache eines konventionellen Huhns. Aber alles andere kann man nicht wirklich genießen. So viel Luxus muss sein.
750 Gramm Paellareis (Rundkorn)
12 Bio-Hühnchen-Schlegel, in der Mitte halbiert
500 Gramm grüne Bohnen
500 Gramm frische Erbsen (notfalls tiefgefroren)
3 Liter Hühnerbrühe
800 Gramm Tomaten in Stücken
0,6 Gramm Safran
0,5 Liter Weißwein
600 Gramm Zwiebeln
7 Knoblauchzehen
2 Bund Petersilie
20 Gramm Pimenton (geräuchertes Paprikapulver, scharf)
Salz, OlivenölHühnerbrühe mit Safran leicht erhitzen. Bohnen waschen und halbieren. Zwiebeln und Knoblauch klein schneiden. Die Hühnchenteile mit Pimenton und Salz würzen und mit Olivenöl in einer Paella-Pfanne von allen Seiten anbraten, dann an den Rand der Pfanne legen oder herausnehmen. Zwiebeln und Knoblauch anbraten, Tomaten, Bohnen und Erbsen zugeben und schmoren lassen, bis die Flüssigkeit gut eingedampft ist. Mit der Hühnerbrühe auffüllen, den Reis zugeben, mit dem restlichen Pimenton würzen und die Hühnchenteile ebenfalls in die Flüssigkeit geben. Nur wenig umrühren und alles etwa 25 Minuten leise köcheln lassen, mit dem Weißwein immer wieder auffüllen. Salzen und mit Petersilie bestreuen.
Das Geheimnis jeder Paella sind nicht so sehr die Zutaten als vielmehr ein rotes Pulver. Pimenton (gibt’s in jedem guten Supermarkt) ist ein spanisches Paprikapulver, das über Eichenholz geräuchert wird. Sein Duft hing zwischen den Mauern des Hinterhofs, wo ich meine große Pfanne aufgestellt hatte, und machte die Fußballfans durch die offene Terrassentür immer nervöser.
Mit dem Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit fing ich an zu kochen. Das reicht, sofern alles vorbereitet ist. Pünktlich zum Abpfiff des Spiels war die Paella fertig. Das Lob der Gäste ging im Hupkonzert der Kroaten leider unter. Vom nahen Stadtpark wehte der Wind den Gestank eines verschmorten Schweinehalses herüber.
Essecke: Philipp Maußhardt schreibt auf dieser Seite jeden Monat über das Essen in großen Runden. Außerdem im Wechsel: Jörn Kabisch befragt Praktiker des Kochens. Waltraud Schwab macht aus Müll schöne Dinge, und unsere Autoren treffen sich mit Flüchtlingen zum gemeinsamen Kochen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen