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Heimsuchung mit Happy End

Baugruppe Wenn der Haussegen im wörtlichen Sinn schief hängt, können Konflikte auch ohne Anwalt gelöst werden. Das spart Kosten und Nerven

Das ist unser Haus! Ja, wessen denn? Kleine Gesten können eine Annäherung unterstützen Foto: Gregor Beltzig/plainpicture

von Kristina Simons

Ein Haus ist noch kein Zuhause. Das bekommen auch immer wieder Menschen zu spüren, die sich voller Enthusiasmus dazu entschlossen haben, mit anderen zusammenzuwohnen – sei es in einer Baugruppe oder in einem Mehrgenerationenprojekt, sei es in einem umgenutzten Gebäude oder in einem nach den gemeinsamen Vorstellungen gebauten. Kracht es, kann das traute Heim zur Heimsuchung werden. Die Konflikte sind so vielschichtig, vielseitig und individuell wie die Beteiligten selbst.

Kennen die Nachbarn sich, verändert das die Konflikte

„In Wohnungseigentümergemeinschaften, die überwiegend aus vermietenden, oft auch ausländischen Kapitalanlegern bestehen, kennen die Mitglieder sich persönlich kaum“, sagt die Berliner Rechtsanwältin Lorraine Picaper. „Hier geht es bei Konflikten meist um finanzielle Fragen – etwa bei baulichen Veränderungen oder kostspieligen Modernisierungsmaßnahmen – und weniger um Zwischenmenschliches.“ Das ändere sich, wenn die Eigentümer selbst in den Wohnungen leben und Streit um Dinge wie zum Beispiel die Einhaltung der Hausordnung, Lärmbelästigung oder die konkrete Nutzung der Gemeinschaftsräume entsteht. „Oft werden die rein juristischen Fragen von schwebenden zwischenmenschlichen Konflikten begleitet. Hier ist es sinnvoll, das Gespräch zu suchen und gegebenenfalls eine Mediation in Anspruch zu nehmen“, rät Picaper.

Dass Baugruppen über Planung, Bau und sämtliche Verträge demokratisch entscheiden, ist Vorteil und Knackpunkt zugleich: Im Detail gehen die Interessen dann doch plötzlich auseinander, fühlt sich die eine Partei überfahren oder zu Unrecht beschuldigt. Endlose Diskussionsrunden machen die Gruppe handlungsunfähig und der anfängliche Enthusiasmus verpufft. Bevor es eigentlich losgeht, steigen die ersten schon genervt aus dem Projekt aus. Da sich die Mitglieder der Baugruppe oft schon vorher persönlich kennen, bekommen Konflikte schnell eine zwischenmenschliche Note. Ist die Gruppe erst mal zerstritten, kann sich das ganze Bauprojekt verzögern und die Kosten in die Höhe treiben.

Mit Hilfe eines Mediators lassen sich hier oft langwierige und nervenaufreibende Gerichtsverfahren vermeiden, an deren Ende möglicherweise der totale Bruch steht. Der Berliner Rechtsanwalt, Notar und Mediator Christoph C. Paul berichtet von einem Konflikt zwischen sieben Parteien eines Wohnprojekts, bei dem er als Mediator vermitteln konnte. In den 1970er Jahren hatten vier Paare und drei Einzelpersonen beschlossen, gemeinsam eine baufällige Villa zu renovieren und zu beziehen. Irgendwann änderten sich die Lebensbedingungen: Die einen ließen sich scheiden, andere zogen weg und verkauften ihre Wohnungen. Die Erdgeschossbewohnerin baute sich eine Terrasse mit Treppe zum gemeinschaftlichen Garten hin, was diesen verkleinerte. Die beiden Eigentümer der oberen Wohnungen bauten die Dachflächen darüber zu Wohnräumen aus, einer verband beide Etagen außerdem mit einer Innentreppe. Für die Umbauten wurden keine Baugenehmigungen beantragt, aber die Miteigentümer duldeten das Ganze.

„Zum Konflikt kam es, als eine Bank bei einer Finanzierungsprüfung von den nicht-genehmigten Umbauten erfuhr. Einige Bewohner empfanden es nun als ungerecht, dass bei Wohngeld und Betriebskosten weiterhin nach dem zu Beginn in der Teilungserklärung festgelegten Schlüssel abgerechnet wurde und nicht nach den veränderten Quadratmetern“, so Paul. Die Verwalterin riet zu einer Mediation und Paul erhielt den Auftrag. In Einzelgesprächen bekam er neben den sachlichen Aspekten auch einen Einblick in das hinter diesem Konflikt verborgene Beziehungsgeflecht.

„Die ursprüngliche Euphorie des gemeinsamen Projekts mit gesellschaftspolitischem Gleichheitsanspruch hatte bald Risse bekommen, zwischen einzelnen Parteien flammten Neid und Verbitterung auf, ich erfuhr von versteckten und offenen Anfeindungen.“ Paul schlug vor, die Konfliktthemen den vier Gruppen „Kosten und Kostenverteilung“, „Rechtliche Fragestellungen“, „Bauliche Fragestellungen“ sowie „Beziehung der Eigentümer zueinander“ zuzuordnen. Um die rechtlichen und baulichen Fragen zu klären – etwa die nachträgliche Legalisierung der Um- und Ausbauten –, einigten sich die Beteiligten auf zwei unabhängige Experten: einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und eine Architektin.

Die Lebens­bedingungen ­änderten sich: Einige ließen sich scheiden, andere zogen weg und ­verkauften ihre Wohnungen. Nicht genehmigte Umbauten haben die Nachbarn ­zunächst geduldet

Kosten und Gewinnekonkret beziffert

Deren Einschätzung war zunächst ernüchternd, etwa was die Eingriffe in die Statik des Hauses durch die illegale Innentreppe zum Dach anging. „Ich bat die beiden Experten um Lösungsvorschläge und Kostenschätzungen“, erinnert sich Paul. Anschließend ging der Mediator mit den Eigentümern die anderen Punkte durch, unklare Kosten und Gewinne wurden in konkrete Zahlen gefasst und damit versachlicht. „Danach machten immer mehr Bewohner Schritte aufeinander zu, was die Situation sichtbar entspannte.“ Paul machte zudem Vorschläge, wie sich Teilungserklärung und Stimmrecht für alle gerecht modifizieren ließen.

„Etwa ein halbes Jahr nach der letzten Mediationssitzung wurde die Änderung der Teilungserklärung in ausgesprochen entspannter Stimmung bei mir beurkundet.“ Nach Pauls Einschätzung haben die Offenheit der Beteiligten für praxisorientierte Lösungen, ihr pragmatischer Umgang mit den juristischen und baurechtlichen Fragestellungen, die gemeinsame Auswahl der Experten und die gute Vor- und Nachbereitung ihrer Einbeziehung entscheidend zur nachhaltigen Beilegung des Konflikts beigetragen.

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