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Quer zu den politischen Lagern

Debatte In Deutschland nimmt die Zahl der BefürworterInnen eines Grundeinkommens zu: Rund 40 Prozent sind dafür

BERLIN taz | Die Abstimmung über das Grundeinkommen in der Schweiz hat dem Thema in Deutschland einen großen Schub gegeben. Zwar sind die GegnerInnen auch hierzulande in der Mehrheit, aber die Zahl der BefürworterInnen steigt.

Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der Bild-Zeitung sind 53 Prozent der BürgerInnen gegen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, 40 Prozent sind dafür. Bei einer Umfrage des Instituts YouGov im Februar waren nur 27 Prozent dafür, ein Jahr vorher waren es sogar nur 16 Prozent. Von den BefürworterInnen halten laut Emnid-Umfrage 44 Prozent ein Grundeinkommen von 1.000 Euro für angemessen. 45 Prozent finden diesen Betrag zu niedrig, zehn Prozent zu hoch.

„Die Abstimmung in der Schweiz hat das Thema in Deutschland sehr bekannt gemacht“, sagt Kurt Wilhelmi von der Organisation „Omnibus für mehr direkte Demokratie“. Die Organisation hat gemeinsam mit Grundeinkommensinitiativen innerhalb von zwei Monaten 110.000 Unterschriften dafür gesammelt, dass auch in Deutschland eine Volksabstimmung über das Grundeinkommen stattfindet – wozu allerdings erst einmal dieses Instrument eingeführt werden müsste.

In Westdeutschland wurde bereits in den 80er Jahren über ein Grundeinkommen diskutiert. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde die Idee durch den Gründer der Drogeriemarktkette dm, Werner Götz, und durch die Piraten, die als bislang einzige Partei dafür sind. Bei Grünen und Linkspartei ist die Forderung heftig umstritten. Auch unter Konservativen gibt es AnhängerInnen, etwa den ehemaligen Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus. BefürworterInnen und GegnerInnen liegen quer zu den politischen Lagern. Der linke Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge etwa ist dagegen, der Chef des DAX-Konzerns Telekom, Timotheus Höttgens, dafür.

Die Vorstellungen über ein Grundeinkommen gehen weit auseinander. Neoliberale Konzepte sehen etwa eine „negative Einkommensteuer“ von wenigen hundert Euro vor, linke Modelle fordern mindestens 1.000 Euro. BefürworterInnen argumentieren, dass das Grundeinkommen Existenzängste nimmt und ArbeitnehmerInnen in eine bessere Verhandlungsposition bringt. KritikerInnen führen an, dass das Grundeinkommen nicht finanzierbar ist, an der Arm-Reich-Schere nichts ändert und den Staat aus der Verantwortung für marginalisierte Gruppen entlässt. Anja Krüger

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