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Kommentar Wahl in ÖsterreichAufatmen, aber nicht einknicken

Andreas Fanizadeh
Kommentar von Andreas Fanizadeh

Fast wäre ein Rechtspopulist Präsident von Österreich geworden. Das darf sich nicht wiederholen. Nun sind die Demokraten gefordert.

Hier zieht doch keine Partei ein, die mit Anleihen an den historischen Nazismus provoziert: die Hofburg in Wien Foto: dpa

D er FPÖ-Politiker Norbert Hofer sah schon wie der sichere Sieger aus. Doch dann konnte ihn sein Kontrahent Alexander Van der Bellen auf der Zielgeraden gerade noch abfangen. Nicht der Rechtspopulist zieht nun als neuer österreichischer Präsident in die Wiener Hofburg ein, sondern der grüne Wirtschaftsprofessor. Mit hauchdünnem Vorsprung entschied der die Stichwahl für sich. Europa kann aufatmen.

Groß war die Sorge vor einem Rechtspopulisten in der Wiener Hofburg. Hofer hatte im Wahlkampf angedeutet, dass er als Präsident das Parlament auflösen würde, sofern es seiner Partei, der FPÖ, nützen würde. Die punktet seit Jahren als vermeintliche Stimme des „kleinen Mannes“ mit Ausländerfeindlichkeit.

Besonders in den Vorstädten und ländlichen Regionen verfangen die Botschaften der Rechtspopulisten. Deren Feindbild ist in Österreich nicht nur die Europäische Union. In unverschämter Weise provozieren FPÖ-Politiker immer wieder mit Anleihen beim historischen Nazismus. Ein FPÖ-Präsident in der Hofburg hätte sich weiterhin als Opposition zum „System“ und der Europäischen Union verstanden.

Die spannende Frage in Österreich bleibt nun, wie die früheren Staatsparteien, also die sozialdemokratische SPÖ und die christlich-konservative ÖVP, auf ihre jüngsten Niederlagen reagieren. Der Grüne Van der Bellen lag jetzt in fast allen Städten vorn, aber nur in einem einzigen Flächenbundesland, in Vorarlberg. Dort regiert eine Koalition aus ÖVP und Grünen. Bei Schwarz-Grün in Vorarlberg und Rot-Grün in der Wiener Landesregierung lassen sich Modelle für eine erfolgreiche Modernisierung der ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP finden.

Die Schwäche von Christ- und Sozialdemokraten bildet den Ausgangspunkt für den Höhenflug der FPÖ. Wenn sich das Beinahewahldesaster nicht wiederholen soll, dann müssen die österreichischen Demokraten näher an die Bevölkerung heran. Sie müssen die Ängstlichen und die schlecht Gelaunten in der wohlhabenden Alpenrepublik dabei an ihre Eigenverantwortung erinnern und zur Teilhabe an den gesellschaftlichen Vorgängen ermuntern.

Ein Einknicken vor Sozialdarwinisten und den Feinden einer offenen Gesellschaft wird dabei nicht helfen. Kämpfen lohnt sich – wie der Wahlsieg Van der Bellens zeigt.

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Andreas Fanizadeh
Ressortleitung Kultur
Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Kulturpolitischer Chefkorrespondent der taz. Von Oktober 2007 bis August 2024 Leiter des Kulturressorts der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.
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10 Kommentare

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  • "(...) die österreichischen Demokraten (müssen) näher an die Bevölkerung heran.(...)"? - Soll das heißen, dass diese irgendwie nicht originär zur Bevölkerung zählen, obwohl sie lt. Wahlergebnis wenigstens knapp über 50% der Bevölkerung ausmachen?

    "(...) Sie müssen die Ängstlichen und schlecht Gelaunten (...) zur Teilhabe an den gesellschaftlichen Vorgängen ermuntern (...)" - Lieber nicht! Es reicht eh schon wenn diese neurotischen Grantler, Raunzer und Bösterreicher sich derart massiv an Wahlgängen beteiligen, wie man am Ergebnis sieht.

    Und: "FPÖ-Politiker, die immer wieder mit Anleihen beim historischen Nazismus provozieren" - Wieso provozieren? Die machen das nicht ob der billigen Provokation wegen - Die meinen das durchaus so, wie sie es sagen. Und auszuleihen brauchen die sich da auch nicht viel.

  • Es ist der neoliberale Sozialdarwinismus der europäischen Mitte-Parteien, der den Menschen Sicherheiten nimmt, ihnen Angst macht und letztendlich den rechten Rand stärkt.

    Dieselbe Grundlage findet sich selbst in diesem Kommentar wieder:

    "...die Ängstlichen und die schlecht Gelaunten in der wohlhabenden Alpenrepublik dabei an ihre Eigenverantwortung erinnern..."

     

    Pustekuchen - die Politik muss den Ängstlichen ihre Angst nehmen, um zu verhindern, dass diese sich in Rassismus äußert. Das heißt nicht lügen und beschönigen, das heißt, sinnvolle Verteilung von Arbeits- und Freizeitstunden, sicheres Einkommen, Verbraucherschutz, kein militaristisches Geschwafel in Politik und Medien, nachhaltige Ökologie- und Steuer-/Sozialpolitik.

    Das gilt auch für Deutschland, Frankreich, GB.

    Es ist verdammt schräg, dass die Etablierten die Rechten (die sie selbst erschaffen haben) als Wahlargument nutzen, statt TTIP zu verhindern, das Briefgeheimnis zu garantieren und die EU zu demokratisieren.

  • Naja, fast 50% für die FPÖ oder andersherum knapper Sieg bei alle gegen einen ... was ist daran ein Erfolg?

     

    50% der Wähler waren bereit allen Warnungen und Agitationen zum Trotz der FPÖ die Zukunft anzuvertrauen. Was passiert, wenn sich die "Etablierten" einmal nicht einig sind?

  • Leider kein überzeugender Kommentar. Vielleicht zeigt diese Wiener Wahl auch für Deutschland einen Weg, erfolgreich gegen die AfD zu agitieren und zu argumentieren. Denn der Aufstieg der AfD beginnt erst.

    • @Der Alleswisser:

      Welche erfolgreiche Argumentation bei knapp 50% FPÖ-Wähler?

  • „Die Schwäche von Christ- und Sozialdemokraten bildet den Ausgangspunkt für den Höhenflug der FPÖ. Wenn sich das Beinahewahldesaster nicht wiederholen soll, dann müssen die österreichischen Demokraten näher an die Bevölkerung heran. Sie müssen die Ängstlichen und die schlecht Gelaunten in der wohlhabenden Alpenrepublik dabei an ihre Eigenverantwortung erinnern und zur Teilhabe an den gesellschaftlichen Vorgängen ermuntern.“

     

    Falls dies wirklich die einzige Lehre sein sollte, die die bisherigen Volksparteien nach diesem Wahlausgang ziehen, dann wird der weitere Aufstieg der Rechten nicht zu stoppen sein. Die Ursachen für das heutige Ergebnis sind sicherlich vielschichtig, die bräsige Selbstgerechtigkeit der Christ- und Sozialdemokraten hat aber bestimmt erheblich dazu beigetragen. Ein Minimum an interner Kritik wäre daher ratsam.

     

    Übrigens ließe sich in dieser Hinsicht manches 1:1 auf Deutschland übertragen.

  • Wusste gar nicht dass Hofer was mit Darwin zu tun hat. Schließlich ist Hofer mit dem katholischen St. Georgs Orden ausgezeichnet worden, der für den Kampf gegen die Türken gedacht war. Das ausspielen der einen gegen die andere Religion auf Kosten der säkularen Freiheit ist das was jetzt hoffentlich nicht stattfindet. Gerne auch mit Darwin.

  • Sie fragen in ihrem Artikel, wie SPÖ und ÖVP reagierem werden und sprechen die Modelle Schwarz-Grün in Vorarlberg und Rot-Grün in Wien an.

     

    Dabei lassen sie unerwähnt, das die sozialdemokratische SPÖ im Burgenland schon eine Koalition mit der FPÖ eingegangen ist und die christdemokratische ÖVP in Oberösterreich eine Koalition mit der FPÖ. Dadurch ist die FPÖ in Österreich längst an der Regierung beteiligt.

     

    Man stelle sich das mal übetragen auf die Bundesrepublik vor, eine Koalition zwischen SPD und AfD auf Länderebene.

  • Unter vergleichbaren Medienbedingungen hätte Hofer eine deutliche Mehrheit erzielt. Die nationalbürgerliche Front der anderen bürgerlichen Rechtsparteien hat den Sieg der offen bekennenden Rechten mit Hilfe einer breiten Massenmanipulation der Bevölkerung erzielt. Es ist nur eine Frage der Zeit, und die kapitalfaschistische Mehrheit findet ihre breite materielle und mediale Unterstützung durch die europäische Bourgeoisie. Dann wiederholt sich, spätestens in der nächsten Finanz- und Weltwirtschaftskrise, der bekennende und modifizierte Kapitalfaschismus in ganz Europa in historischer Fortsetzung.

     

    Eine antifaschistische Alternative kann nur zugleich eine antikapitalistische Alternative sein. Doch dazu fehlt zur Zeit in Europa eine linke antiimperialistische Massenbasis!

  • Demokraten?

     

    Wenn Politiker sich vom Bürger abwenden und nicht mal selber das Wirtschafts-Geldsystem verstehen können bzw. WOLLEN, dann könnt ihr wählen wen Ihr wollt!!

     

    DAS ERGEBNIS WIRD IMMER DAS SELBE SEIN!! VERARMUNG DER 90 Prozent, die für die REICHEN malochen!