: Gesucht: Geronto-Sozialtherapeut
AUSBILDUNG Berufsbilder rund um Pflegedienstleistungen erleben angesichts des demografischen Wandels einen echten Boom – gerade in der Single-Hauptstadt Berlin. Zahlreiche neue Berufsbilder entstehen, welche die herkömmliche Altenarbeit erweitern
von Ansgar Warner
Der demografische Wandel lässt die Zahl der Pflegebedürftigen in Berlin besonders stark steigen – nach DIW-Schätzungen von gut 117.000 im Jahr 2013 auf knapp 170.000 im Jahr 2030. Eine Steigerungsrate von mehr als 40 Prozent, das ist bundesweit Spitze, gleich danach kommt Brandenburg. Zugleich ist Berlin auch noch Single-Hauptstadt: viele Ältere Menschen werden also zukünftig nicht von Familienmitgliedern zu Hause betreut werden können. In den nächsten 15 Jahren müssen deswegen an der Spree mindestens 8.000 zusätzliche Pflege-Vollzeitstellen geschaffen werden.
Für alle BerlinerInnen auf Jobsuche ist das sicher eine gute Nachricht. Berufsbilder rund um Pflegedienstleistungen erleben schon jetzt einen echten Boom. Bester Indikator sind die offenen Stellen. Sie bleiben hier im Durchschnitt doppelt so lange vakant wie in anderen Bereichen. Neben der traditionellen Pflegefachkraft entstehen im Rahmen des demografischen Wandels zahlreiche neue Berufsbilder, die klassische Kompetenzen und Tätigkeitsspektren der Altenarbeit erweitern, etwa mit Elementen der Sozialpädagogik. Immer öfter wird in Stellenanzeigen nach „Geronto-SozialtherapeutInnen“ gesucht. Sie kümmern sich nicht nur ums direkte Wohlbefinden älterer Menschen, etwa durch Gespräche, Bewegungs- und Entspannungsübungen oder Gedächtnistraining, sondern sorgen auch für ein günstiges Umfeld.
Denn neben der individuellen Betreuung und Therapie übernehmen diese auf ältere Menschen spezialisierten Sozialarbeiter auch innerbetrieblichen Fortbildungen, erarbeiten psychosoziale Diagnosen, entwickeln Therapiepläne, geben Impulse für die Zusammenarbeit von Personal, Ehrenamtlichen und Angehörigen im Heimalltag und helfen mit, eine aktivierende Milieugestaltung zu schaffen
Geronto-Sozialtherapeuten sind auf Senioren spezialisierte Sozialarbeiter, die sich um ältere Menschen kümmern. Eine Vollzeitausbildung dauert rund zwölf Monate. In Berlin verdienen fest angestellte Sozialtherapeuten immerhin zwischen 2.500 und 3.500 Euro brutto.
Die Ausbildung zum Seniorenassistenten, die Rentner in privaten Haushalten betreuen, ist deutlich kürzer und erfolgt oft berufsbegleitend in Wochenendseminaren – dafür liegen ihre Verdienste auch niedriger, bei rund 1.500 Euro brutto.
In Berlin wird die Qualifizierung zum Geronto-Sozialtherapeuten unter anderem vom Institut für Angewandte Gerontologie (IfAG) angeboten. Für eine Vollzeitausbildung müssen angehende Geronto-Sozialtherapeuten hier zwölf Monate investieren, die sich in eine reine Theoriephase und eine gemischte Theorie-Praxis-Phase gliedern. Die Einführungs- und Orientierungsphase, in der Grundlagen gelehrt werden, dauert 22 Wochen.
Zu den vermittelten Inhalten gehören neben sozialtherapeutischen Standards und Formen der sozialen Intervention auch Kenntnisse in Recht und Verwaltung sowie Betriebswirtschaft und Gesundheitsmanagement. Darauf folgt eine Praktikums- und Projektphase mit 25 Wochen, betreut sowohl von den Weiterbildungsdozenten wie einem Supervisor der jeweiligen Einrichtung. Am Abschluss fertigen die Teilnehmer einen Praktikumsbericht an und diskutieren die Ergebnisse in einem Kolloquium.
Jobbegleitend kann man sich ebenfalls zum Sozialtherapeuten weiterbilden, dann verlängert sich die Ausbildung allerdings. Da die Weiterbildung zum Geronto-Sozialtherapeuten auf bestehenden Praxiserfahrungen aufbaut, eignet sie sich besonders für Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Psychologen, Ärzte und Sozialwissenschaftler. Wer auf Arbeitssuche ist, kann die Weiterbildungsmaßnahme auch mit Hilfe des Jobcenters finanzieren, die investierte Zeit lohnt sich: In Berlin verdienen fest angestellte Sozialtherapeuten im Schnitt zwischen 2.500 und 3.500 Euro Brutto, damit liegen sie bundesweit in ihrer Berufsgruppe unter den Top fünf.
Ein ähnliches Gehalt können die auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls verstärkt nachgefragten Seniorenassistenten nicht erreichen, denn sie arbeiten in der Regel selbständig und betreuen eine begrenzte Anzahl einzelner Klienten jeweils für eine Dauer von fünf bis acht Stunden pro Woche. Die Vergütung fällt zudem je nach Region sehr unterschiedlich aus, mehr als 1.500 Euro brutto pro Monat werden meist nicht erreicht.
Die Ausbildung zum Seniorenassistenten nach dem „Plöner-Modell“, in Berlin unter anderem angeboten von der Büchmann Seminare KG, ist dafür aber deutlich kürzer. Die Qualifizierung beschränkt sich auf vier Wochenendseminare mit insgesamt 120 Stunden. Allerdings liegt der Schwerpunkt auch anderswo, es geht um die direkte, nichtpflegerische und aktivierende Seniorenbetreuung in privaten Haushalten. Ältere Menschen sollen auf diese Weise unterstützt werden, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben, oder so selbstständig wie möglich in Seniorenresidenzen oder Einrichtungen des „betreuten Wohnens“.
Durch die Betonung des „nichtpflegerischen“ Ansatzes soll mit dem Konzept des Seniorenassistenten ein größerer Personenkreis angesprochen werden, und gerade für die noch zu Hause wohnenden Senioren eine kostengünstige bis kostenneutrale Alternative zum Umzug in ein Altenheim entstehen. Geht das Konzept auf, könnte das gerade in Großstädten wie Berlin dazu beitragen, einen neuen Pflegenotstand zu verhindern.
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