Kolumne „German Angst“: Bitte, Herr Gabriel!
Wenn zu einer Affäre wirklich alles gesagt zu sein scheint, dann rumpelt es auf Twitter – und der SPD-Vorsitzende ist dran.
#x201E;Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Der FAS zufolge hat das AfD-Vizechef Alexander Gauland über den Fußballnationalspieler Jérôme Boateng gesagt. Nur scheinbar entlarvt er hier den deutschen Rassismus, der in der Bevölkerung – aber vermutlich noch mehr in den Institutionen, siehe NSU – von rechts bis links und in der Mitte fest verankert ist.
Eigentlich spricht Alexander Gauland über sich selbst. Über sich und seinesgleichen. Man zu sagen und ich zu meinen, das ist ein Symptom.
Die Verabsolutierung von ich zu wir zu man gehört zum Wahn, genauso wie die Verallgemeinerung zum Rassismus; wahnhafte Tendenzen, die Beschränktheit der eigenen kleinen Welt mit der Größe der tatsächlichen Welt zu verwechseln.
Aber hier wird noch etwas anderes per Sprache nach außen gekehrt: das stillgelegte Innere dieses Mannes. Die Unmöglichkeit, „ich“ zu sagen und also zu den eigenen Affekten zu stehen – in diesem Fall zum Rassismus. In diesem sprachlichen Umschiffen zeigt sich vor allem die eigene Passivität. Ein Mangel an Haltung.
Das egomanische Ich
Diese Art von Sätzen ist darauf ausgelegt, sie im Nachhinein zu bestreiten. Aber da, auf einmal, tritt das egomanische Ich auf den Plan: „Ich habe nie […] beleidigt.“ Auch Frauke Petry spielt mit: „Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat.“ Deutsche Amnesie. Ein braver Deutscher ist einer, der sich nicht erinnern kann.
Und überhaupt, warum glauben Rechte und Nazis eigentlich immer, irgendwer würde neben ihnen einziehen wollen? Klarer Fall von Verfolgungswahn. Kurz: armer Alexander Gauland. Aber was hilft’s? Der Leidensdruck muss groß genug sein, damit sich ein Betroffener Hilfe sucht. TherapeutInnenweisheit.
Aber das ist ja noch nicht alles. Nach der AfD-Vorsitzenden haben sich noch einige geäußert: der DFB-Präsident, Heiko Maas, CDU-Vize Julia Klöckner, Oliver Bierhoff und Jérôme Boateng selbst.
Irgendwann, kurz bevor wirklich alles gesagt sein wird und die Causa Gauland in Vergessenheit geraten konnte, rumpelte es noch einmal auf Twitter. Denn auf das Kampfschiff der Sozialdemokratie ist Verlass, es braucht etwas länger, aber dann taucht es besonders tief.
Deutschtum
Sigmar Gabriel twitterte, dass Boateng ja Deutscher sei und die AfD darum „deutschfeindlich“. – Wow?! – Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass der Pegida-Versteher Schieflage in Richtung Deutschtum hat.
In Freital hatte Gabriel den deutschen Nazi-Mob, der ankommenden Flüchtlinge belagerte und bedrohte, als „undeutsch“ bezeichnet. – Autsch. Nazisprech gegen Nazis. Das muss die braven Bürgern, die dem Mob von Rostock-Lichtenhagen um nichts nachstanden, ziemlich geschmerzt haben.
Mit seiner Obsession trifft Gabriel sich im Übrigen mit Gauland. Der nämlich hatte im Nachhinein doch noch seine Erinnerungslücke ausgelotet und war zu dem Schluss gekommen, Boateng eine „gelungene Integration“ auszuweisen.
Uh, gähn. Da hatte Gabriels Vorwurf der Deutschfeindlichkeit mehr Bums.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen