piwik no script img

Aktiengesellschaft hilft kleinen Höfen

LANDWIRTSCHAFT 50 Norddeutsche haben sich zu einer Aktiengesellschaft zusammengetan, um die lokale Wirtschaft zu fördern – und zwar vom Acker bis zum Teller

Regionalität fördern: Mehr als Knollensellerie Foto: Patrick Pleul/dpa

Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln wächst und die Leute kaufen außerdem immer lieber Produkte aus ihrer Umgebung. Trotz steigender Nachfrage nach regionalen Produkten haben kleine Höfe wirtschaftliche Schwierigkeiten. Hier setzt die Regionalwert-Hamburg Aktiengesellschaft an und unterstützt regionale Landwirtschaft.

Vor zwei Jahren ist der Verbund in Hamburg gegründet worden und die Initiatoren kümmern sich um die Region Hamburg und Schleswig-Holstein. Ähnliche Projekte gibt es bereits in Freiburg, München und Köln. Die norddeutschen Gründer waren am Anfang rund 50 Leute: Bürger, Landwirte, Händler, Gastronomen, Vertreter von Organisationen und Unternehmer. Eine bunte Mischung aus Menschen also, die in die Produktionskette von Lebensmitteln involviert sind.

230 Aktionäre gefunden

Jeder Gründer, sowie später auch jedes neu eingetragene Mitglied, ist Aktionär. Die ersten Aktien gehörten den Gründern, die gemeinsam ein Startkapital von 150.000 Euro zusammenbekommen haben. Nach nur einer Aktienausgabe ist der Verbund mittlerweile merkbar größer geworden: Jetzt sind aus den 50 bereits 230 Aktionäre geworden und das Kapital ist auf 954.000 Euro gestiegen.

Ein solches Engagement ist eigentlich einfach zu erklären: Die Regionalwert-Hamburg Aktiengesellschaft trifft mit der Förderung von Regionalität und lokalen Wirtschaftskreisläufen einen Nerv – bei den Produzenten und bei den Verbrauchern.

„Es ist ja auch für die Städte wichtig, dass kleine Bio-Bauern existieren“, sagt Christian Kupsch, ein Aktionär aus Hamburg. „Die muss man unterstützen, weil sie keine Sicherheit haben und deswegen keine Kredite von den Banken kriegen können.“ Wenn es die kleinen Höfe nicht gäbe, betrieben nur noch große Konzerne Landwirtschaft.

Wie das Geld der Aktionäre investiert werden soll, entscheidet die gesamte Aktiengesellschaft gemeinsam – vom Vorstand, über Aufsichtsrat bis zur Hauptversammlung der Aktionäre. Die Hauptversammlung ist das oberste Gremium der Gesellschaft, in der jeder Aktionär abstimmen kann. Der Aufsichtsrat besteht dagegen aus acht verschiedenen Experten. Diese gelten als Vertretung der Aktionäre und helfen ehrenamtlich bei der Arbeit des Vorstands.

Der Vorstand besteht aus zwei Menschen – sie sind die einzigen bezahlten Mitarbeiter der Gesellschaft: Malte Bombien und Ulf Schönheim. Bombien ist Agraringenieur und Landtechnik-Sachverständiger. Schönheim ist Kommunikationsfachmann, mit einer langjährigen Erfahrung in der Finanzbranche. Alle anderen Aktionäre engagieren sich ehrenamtlich.

Vor einigen Monaten hat die Regionalwert-Hamburg Aktiengesellschaft mit ihrem ersten großen Projekt begonnen: Der Hof Koch in Schleswig-Holstein ist Partnerbetrieb geworden. Sie haben also investiert, denn der Hof sei der perfekte Kandidat, sagt Schönheim. Er steckte in finanziellen Schwierigkeiten und entsprach den Beteiligungskriterien der Gesellschaft. „Die Betriebe, für die wir uns engagieren, sollen sich um Vielfalt in Bezug auf Pflanzen und Tiere kümmern, sowie dafür sorgen, dass der Boden verbessert und Humus aufgebaut wird“, sagt Schönheim. Spätestens vier Jahre nach der Investition muss der Betrieb ökologisch arbeiten.

„Es geht außerdem darum, Arbeitsplätze für diejenigen zu schaffen, die ansonsten Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt hätten und der Hof muss sich um Berufsausbildung kümmern.“ Denn ein Ziel der Aktiengesellschaft ist es, jungen Leuten den Weg in die Landwirtschaft zu ebnen. Da 70 Prozent der Höfe in Deutschland keine Nachfolger haben, gibt es keine vernünftige Zukunft für die Landwirtschaft ohne ausgebildete Junge. Anna Dotti

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen