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Vom Geist des GeistlichenPastor ermöglicht Dialog

Der Dialogbeauftragte von Bremens Evangelischer Kirche tritt ab: Er hatte einen israelischen Journalisten bepöbelt und sich als Antisemit bezeichnet.

Ein einsames Schild gegen Judenhass ist besser als keines: Demo in Berlin Foto: Maja Hitij (dpa)

BREMEN taz | Auf Drängen der Jüdischen Gemeinde und der Leitung der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) hat deren Beauftragter für interreligiösen Dialog, Pastor Volker Keller, gestern demissioniert. Zugleich entschuldigte er sich „bei Menschen jüdischen Glaubens“, die er irritiert habe: „Obwohl es keineswegs meine Absicht war, habe ich sie verletzt.“ Anfang Mai hatte die Jüdische Gemeinde in einem von ihrem gesamten Vorstand und dem Landesrabbiner unterzeichneten Schreiben an die BEK-Spitze erklärt, sich eine Fortsetzung des Dialogs mit Keller nicht vorstellen zu können, ein in ihrer Geschichte einzigartiger Vorgang.

Auslöser des Protests war eine Mail des Pastors, mit der er, ohne vorherigen Kontakt, den streitbaren Korrespondenten der Jerusalem Post, Benjamin Weinthal, bepöbelt hatte: Darin hatte sich Keller mokiert, dass Weinthal keine Notiz von einer Lesung des Publizisten Arn Strohmeyer in seiner Pfarrei genommen habe. Strohmeyer wiederum gilt vielen als Antisemit: Er veröffentlicht seit Jahren Beiträge zum Nahostkonflikt, die druckseitenstark einseitig Israel beschuldigen. Durchgängig bedient Strohmeyer dabei die Unterstellung, der Zionismus missbrauche das Gedenken an die Shoa zu „seiner existentiellen Selbstvergewisserung“ und behauptet gar, dass „der Holocaust vor allem auch ein Mittel zum Zweck des Erreichens und der Rechtfertigung politischer Ziele“ sei.

Das ist die zentrale Denkfigur jenes Judenhasses, den die Forschung als Schuldabwehr-Antisemitismus rubriziert. Er liegt den meisten bei der Teheraner Karikaturenausstellung gezeigten Werken ebenso wie den programatischen Äußerungen der NPD zum Thema zugrunde.

Als Strohmeyer am Jahrestag der Reichspogromnacht in einer städtischen Bremer Location auftreten sollte, hatte Weinthal interveniert – und damit offenbar Keller erzürnt. Denn dessen Mail knüpfte an jenen Vorgang an: „Gestern Abend hat der Antisemit Arn Strohmeyer einen Vortrag bei mir gehalten“, mokiert Keller sich: „Sie haben mich nicht einmal beschimpft.“ Beim nächsten mal werde er ihn vorab unterrichten, um sich von ihm angreifen zu lassen. Und er schließt: „Ihr Volker Keller, Antisemit“.

Renke Brahms, theologischer Leiter der BEK, erkannte in der am Donnerstag verbreiteten Erklärung in Kellers Mail zwar „eine inakzeptable Belastung für den interreligiösen Dialog“ und entschuldigte sich im Namen der BEK dafür. Zugleich gab er sich „überzeugt, dass Pastor Keller kein Antisemit ist“.

Um diese Positionierung war bei einem Gespräch zwischen BEK-Spitze und Jüdischer Gemeinde am 19. Mai gerungen worden. Letztere „bedankt sich bei der taz.bremen, der Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther und der Deutsch Israelischen Gesellschaft Bremen für die klaren Worte zum Verhalten von Pastor Keller“, heißt es nun in einer Stellungnahme. „Die haben bewirkt, was unser Brief allein nicht vermochte“. Man freue sich „auf die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der BEK und die Erneuerung des jüdisch-christlichen Dialogs“. Es bleibe die Hoffnung, „dass Bremer Pastoren weder Israelhasser in ihre Gemeinden einladen noch judenfeindliche Parolen tolerieren“.

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3 Kommentare

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  • Als Anhänger der fortschrittlichsten Wissenschaftler und Soziologen in den vergangenen 200 Jahren verstehe ich die Vorwürfe "Antisemitismus" nicht.

    Schon das Wort "Semit"- wikipedia.org/wiki/Semiten -bezieht die arabischen Vorfahren aus der Thora mit ein. Erst die ideologischen Verzerrungen und die Konkurrenz zu anderen bürgerlichen Würdenträgen und Wohlstandsbürgern, Ärzten und Forschern führten hauptsächlich im 19 Jahrhundert zur Judenfeindschaft. Die Pogrome bezogen sich immer auf Minderheiten, genauso wie Sintis und Romas oder Christen, sowie die Armenier im Osmanischen Reich. Im Hitler-Faschismus wurden die rassistischen Vorurteile zum grössten Völkermord - der Shoah - in der Geschichte der Menschheit.

    Eigentlich ist die Islam-Feindlichkeit von AfD und Pepita genauso abstossend wie der NAZI-Rassismus.

    Ohne Erich Fromm, Karl Marx, Rosa Luxemburg, Siegmund Freud, Wilhelm Reich, Noam Chomsky Albert Einstein und und … wäre die Welt nicht so, wie sie heute ist: Fortschrittlich und seit der Französischen Revolution aufgeklärt.

    Als ich 2014 in Israel war, lernte ich genug Jugendliche kennen, die der staatlichen Israel-Politik wenig Sympathie entgegenbringen, sondern lieber ihre Erfahrungen in den USA oder in Europa machen wollen. Ihnen geht es eher wie unseren Kids, mit Facebook, Tanz und Musik die eigene Welt zu erleben… Ich fand sie toll und aufgeschlossen, ja ich sollte sie auch fotografieren - Mädchen, Chic und sympathisch.

  • Hier handelt sich um kleine Siege im Sektenstreit. Natürlich kann man sich die Frage stellen, ob der geradezu obsessive Antizionismus von Arn Strohmeyer seine Grundlage in einer psychologischen Disposition hat, die ihn dazu bringt, die Juden "einfach nicht zu mögen". Das wäre Antisemitismus...und natürlich würde Herr Strohmeyer sowas empört bestreiten. Die Tätigkeit von Benjamin Weinthal, Deutschlandkorrespondent der Nethanyahu-Zeitung Jerusalem Post ist dagegen einfach zu belegen: Dieser Journalist ist ausschließlich damit beschäftigt, Kritik an der israelischen Militärpolitik mit dem Label des "Antisemitismus" zu belegen. Seine Zielpersonen sind dabei durchaus nicht der rechtsradikale Sumpf, der nach Verfasssungsschutz-Berichten für über 80% aller antisemitischen mit Strafe belegten Vorfälle verantwortlich sind - es geht ihm ausschließlich um "Israelkritiker" aus dem linken oder linksliberalen Spektrum: Daniel Barenboim, Ströbele, ein Dutzend Abgeordnete der Linkspartei, ein SPD-Oberbürgermerister, evangelische Würdenträger etc. können ein Lied davon singen: Alles Antisemiten. In letzter Zeit nimmt sich Herr Weinthal übrigens vor allem in Deutschland lebende israelische Juden vor - diese Kritiker an der Politik ihres Heimatlands haben bei ihm einen Namen: "self hating Jews". Nun hat es im Sektenstreit einen Bremer Pastor getroffen, der einen ziemlich verunglückten satirischen Scherz gemacht hat. Egal: Im Kampf gegen den Antisemitismus gibt's manchmal auch Kollateralschäden - leider hat die TAZ dabei mitgemacht.

    • @Thea:

      Ich bin froh, dass jemand den Artikel von Benno Schirrmeister ebenso schlimm fand, wie ich auch. Es ist kein guter Journalismus, Kritiker der Israelischen Politik als Antisemiten zu beschimpfen. Und es wird nicht besser durch indirekte Formulierungen wie "Strohmeyer ... gilt vielen als Antisemit". Leider macht die taz-Bremen bei diesem anti-deutschen Treiben nicht nur mit, sondern übernimmt dabei eine führende Rolle.

      Glücklicherweise ist die Israel-Berichterstattung von Frau Kaul in der taz weiterhin ebenso kritisch wie sachlich. Wenn es möglich wäre, die taz-Bremen abzubestellen, würde ich das aber jetzt gerne tun.