: Mehr Neonazis schlagen zu
KRIMINALITÄT 13 Mal mehr Übergriffe auf Flüchtlingsheime zählt die Polizei in Niedersachsen –und 50 Prozent mehr Gewalttaten: Die Bedrohung durch Rechtsextreme erreicht 2015 einen neuen Höhepunkt
Wie überall im Bundesgebiet ist die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte auch in Niedersachsen 2015 massiv gestiegen. Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr 110 solcher Straftaten – 2014 waren es acht gewesen, 2013 keine einzige. Dazu zählten auch sieben Brandanschläge.
„Der in Salzhemmendorf ist als versuchter Mord gewertet worden“, sagte Polizeidirektor Axel Brockmann vom Landespolizeipräsidium bei Vorstellung der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität durch SPD-Innenminister Boris Pistorius. In dem Flecken bei Hannover hatten Neonazis im August 2015 einen Molotowcocktail in ein Kinderzimmer geschleudert. Weil wie durch ein Wunder niemand verletzt wurde, kamen sie mit Haftstrafen zwischen vier und acht Jahren davon.
Insgesamt stieg die politisch motivierte Kriminalität um acht Prozent auf 3.220 Taten. Davon konnten 1.786 Rechtsextremen, 786 linksgerichteten Tätern zugeordnet werden. Einen Großteil der Taten der Neonazis beschreibt die Polizei als „Propagandadelikte“ wie Volksverhetzung. Allerdings: 95 Mal wendeten Rechtsextreme auch brutale Gewalt an – eine Steigerung von fast 50 Prozent.
Bedingt durch die Pegida-Aufmärsche vor allem in Hannover und Braunschweig sei auch die Zahl linker Straftaten gestiegen, so Minister Pistorius. Erfasst wurden 786 Fälle, darunter 146 Gewalttaten. Davon richteten sich 62 gegen Angehörige der rechten Szene. Ziel der restlichen 84 sollen Polizeibeamte gewesen sein.
„Ich verlasse mich nicht darauf, dass sich die Zahl fremdenfeindlicher Gewalttaten wieder reduziert“, erklärte Pistorius mit Blick auf die sinkenden Flüchtlingszahlen. Mehr Personal für Polizei und Verfassungsschutz mache deutlich, dass Niedersachsen politischem Extremismus – auch in Gestalt von Islamisten – entschieden entgegentrete. WYP
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen