Paletten, die die Welt bedeuten

Stadtraum Im Industriegebiet Hemelingen baut Musiker Immo Wischhusen eine Bühne. Noch kämpft das unkommerzielle Kulturprojekt allerdings mit Startschwierigkeiten

Trotz verschobener Eröffnung darf das Improtheater schon mal die Bühne testen – beim Team-Essen Foto: Luisa Eugeni/Promotion

von Jannik Sohn

Vorn fließt beschaulich die Weser, hinten liegen eine Industriehalle und der Recyclinghof. Am Ufer gegenüber ragt das Hastedter Kraftwerk in die Höhe. Mitten im Hemelinger Industriegebiet, am Arberger Hafendamm, steht eine Bühne – gebaut aus Euro-Paletten.

„Die Komplette Palette“ (DKP)nennt sich dieses Kulturprojekt. Seit April baute der Urbremer und Musiker Immo Wischhusen, alias „FlowinImmO“, mit seinen HelferInnen an der Bühne. Die steht auf dem Gelände von „Bay Watch“, einem Kunstpark im Industriegebiet. Seit 2014 können hier junge KünstlerInnen Projekte, etwa in Sachen experimentelle Architektur, verwirklichen. Einige Häuschen aus Holzresten schmücken Wiese am Fluss.

„Mein Impuls war: Ich will raus aus Berlin, ich will in die Natur, ich will ein Haus bauen“, sagt Wischhusen. Er nennt sich den „Operator“ des Projekts. Seine Idee habe bei verschiedenen Leuten „Resonanzen“ erzeugt, sagt er. Mit 20 Freiwilligen hat er die Bühne errichtet. Die ist mittlerweile fertig – vier Meter hoch und sieben Meter breit. An der Hinterwand sind zwei große Fenster für den Blick auf die Weser.

Über den ganzen Sommer soll die Bühne bespielt werden. Mit Theater, Tanz und Musik. Gruppen wie das Techno-Kollektiv „Conartism“ oder der „Manic Circus“ sollen das Abendprogramm füllen. Nach den Sommerferien sollen auch Workshops für Schulklassen folgen, für Körpersprache und Musik.

Wischhusen wolle mit der Bühne „ein Exempel“ statuieren. Damit meint er die Nutzung öffentlicher Räume. Das Hemelinger „Bay Watch“ sei zunächst das Labor, so Wischhusen, später könnte der Bühnenbausatz auch anderswo errichtet werden.

Wischhusens „minimales Startkapital“ wurde durch Spenden ergänzt und dann Stück für Stück umgesetzt. Die Paletten der Außenverkleidung sind geliehen, die Wände bestehen aus ausrangierten Schildern von Bauprojekten. Eintritt sollen die Veranstaltungen bei der „Kompletten Palette“ nicht kosten, sagt Wischhusen, „aber jeder muss seinen Beitrag leisten“. Nicht unbedingt Geld, sondern auch tätige Mitarbeit.

Eigentlich sollte der Auftakt für das Projekt am vergangenen Samstag stattfinden, im Rahmen einer „Freiluftparty“. Seit dem März dürfen solche Partys mit maximal 300 Menschen auch spontan veranstaltet werden. 24 Stunden vor Beginn muss aber ein Antrag beim Stadtamt gestellt werden.

„Ich will raus aus Berlin. Ich will in die Natur. Ich will ein Haus bauen“

FlowinImmO, Deutschrapper seit ewig

Und daran ist der erste Versuch dann auch gescheitert: Ein statisches Gutachten hatte die Selbstbau-Bühne nicht, außerdem bemängelte das Amt Stolperfallen und eine schlechte Toilettensituation. Die Polizei untersagte die Veranstaltung. Statt Planungsunsicherheit im Einzelfall möchte Wischhusen nun eine dauerhafte Genehmigung für den Sommer.

Das Gutachten vom Statiker hat er besorgt, für die Eröffnung peilt er nun den 21. Mai an. Dann sollen „Improtheater“ und „junger Bremer Hip-Hop“ die Bühne füllen. Im Stadtteil Hemelingen stoße er auf „Wohlwollende Betreuung“, berichtet er.

In Bremen steht es um die Umsetzung von Kulturprojekten heute offenbar ganz gut: „Es gibt eine starke Strömung von Entscheidern, die es wichtig finden, dass etwas in der Stadt passiert“, sagt Oliver Hasemann, Geschäftsführer der Zwischen-Zeit-Zentrale (ZZZ). Die Organisation sucht Flächen und leer stehende Immobilien für Zwischennutzungen und berät Kreative bei der Raumsuche. Auch die Brachfläche für das Bay-Watch-Projekt wurde von der ZZZ organisiert. Die MitarbeiterInnen vermittelten Kontakte zu EigentümerInnen und Behörden und halfen dann auch, das Konzepte in der Praxis vor Ort umzusetzen.

Dabei geht es laut Hasemann im Wesentlichen um ein „verträgliches Miteinander“ der Beteiligten. Dann ließen sich die Probleme mit dem Nachbarn oder die Einhaltung von Auflagen meist in den Griff bekommen. Über Regularien, die etwa Haftungsfragen betreffen, könne man aber natürlich nicht hinwegsehen. „Der Entscheidende Punkt ist“, so Hasemann, „dass man einen Ort findet, wo man ein Projekt umsetzen kann.“ So wie hier in Hemelingen.

„Die komplette Palette“ öffnet am 21. Mai. Wenn alles gut geht.