Olympia Sportverbände geben Tipps gegen Zika: stichabweisende Kleidung und Fenster schließen: Aus einer Mücke einen Boykott machen
Fehlbildungen: Laut der US-Gesundheitsbehörde CDC konnte der Nachweis erbracht werden, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Zika-Virus und den Schädelfehlbildungen bei Föten bzw. Neugeborenen, Mikrozephalie genannt, gibt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO unterstützt diese Aussage.
Übertragung: Bisher sind nur Stechmücken als Überträger nachgewiesen. Für Geschlechtsverkehr, Urin und Speichel gibt es diesen Nachweis nicht.
Reisewarnungen: Europäische und US-amerikanische Institute empfehlen schwangeren Frauen, nicht nach Brasilien oder in Staaten zu reisen, wo das Zika-Virus grassiert. Die WHO empfiehlt Schwangeren, vor Ort nur geschützten Geschlechtsverkehr zu betreiben.
von Andreas Rüttenauer
Es war im Juni 2014, als in der Arena da Amazônia in Manaus zum letzten Mal ein großes Spiel stattgefunden hat. In der Vorrunde der Fußball-WM der Männer besiegte die Schweiz vor mehr als 40.000 Zuschauern Honduras mit 3:0 und sicherte sich damit die Qualifikation für das Achtelfinale.
Seitdem haben ein paar schlecht besuchte Viertligaspiele in dem riesigen Stadion stattgefunden und ein paar Großmessen evangelikaler Sekten. Im August soll nun endlich wieder großer Sport im Regenwald ausgetragen werden. Ein paar Spiele der olympischen Fußballturniere sollen in Manaus stattfinden. Doch die Vorfreude auf Reisen in die Millionenstadt im Bundesstaat Amazonas hält sich bei vielen Athleten in Grenzen. Das Zika-Virus, das in der Region besonders verbreitet ist, sorgt für Verunsicherung.
Wenn das Weltmeisterinnen-Team der USA am 9. August in Manaus zum Gruppenspiel gegen Kolumbien antritt, wird vor allem Hope Solo, die Torhüterin der Teams, ganz besonders intensiv darauf achten, dass sie nicht von einer Mücke gestochen wird. Lange hat sie sich mit dem Gedanken getragen, die Olympischen Spiele sausen zu lassen. Sie fand es unfair, vor die Wahl gestellt zu werden, für ihr Land anzutreten und dabei die Gesundheit eines Kindes, das sie vielleicht einmal zur Welt bringen will, zu gefährden und stattdessen zu Hause zu bleiben und den Traum von olympischem Ruhm zu opfern. Nun, nachdem die Auslosung des Fußballturniers ergeben hat, dass die USA ausgerechnet in Manaus antreten werden, hat sie sich entschieden, doch anzutreten. Das mulmige Gefühl ist geblieben. In einem Statement, das US-Sportreporter Grant Wahl via Twitter verbreitet hat, spricht sie nach wie vor von unkalkulierbaren Risiken und meint: „Ich bin ratlos und verstehe nicht, warum das IOC die Spiele nicht verlegt, um so zumindest das Risiko zu minimieren.“
Es ist erstaunlich wenig über die spezielle Problematik des Austragungsortes Manaus zu hören, wenn es um die Gefährdung von Athleten und Zuschauern durch das Zika-Virus geht. Auch über die Lage in den anderen Fußballspielorten Brasilia, Belo Horizonte, Salvador de Bahia und São Paulo wird kaum diskutiert. Meist geht es einzig um die Stadt Rio de Janeiro, wo die meisten Wettbewerbe stattfinden.
Es ist viel von Maßnahmen die Rede, die in der Olympiastadt getroffen werden. Mario Andrada, der Sprecher des lokalen Organisationskomitees der Spiele, wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die Wettkämpfe im brasilianischen Winter ausgetragen werden. „Das ist die trockene Jahreszeit und da werden kaum Mücken überleben“, lässt er mitteilen. Alle Wettkampfstätten würden jeden Tag überprüft, jede Pfütze, in der sich eine Brutstätte für Mücken befinden könnte, werde ganz genau beobachtet, Insektizide würden ausgebracht. Die Teams werden beraten und sollen selbst Schutzmaßnahmen ergreifen. Gegen einen Aufpreis werden Fliegengitter an die Fenster der Behausungen im olympischen Dorf montiert. Am besten wäre es aber, so Andrada, einfach die Fenster nicht zu öffnen und Klimaanlagen zu benutzen. Auch spezielle, stichabweisende Kleidung empfiehlt er.
So richtig beruhigend wird das nicht jeder Athlet finden. Die Nationalen Olympischen Komitees der verschiedenen Länder versuchen jedes auf seine Art, mit der Situation umzugehen. Während es bei der offiziellen Einkleidung der Mannschaft des Deutschen Olympischen Sportbunds am Dienstag vor allem um Modefragen ging („Das Outfit ist der Kompromiss zwischen locker-flockig und identitätsstiftend“, so der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper), haben die Südkoreaner ein mückensicheres Outfit präsentiert. Bei offiziellen Anlässen, beim Training und in der Freizeit im olympischen Dorf tragen die Athleten nun langärmlige Laibchen und Hosen, die mit mückenabweisenden Chemikalien versetzt sind. Im Wettkampf sei das nicht immer möglich. Dafür sind die Regeln, die für etliche Sportarten kurze Hosen vorschreiben, zu starr.
Es liegt an den Verbänden, ihren Sportlern die Ängste zu nehmen. Das scheint weitgehend zu gelingen. Erst ein prominenter Sportler hat angekündigt, wegen seiner Ängste vor einer Infektion die Spiele in Rio zu meiden. Vijay Singh, der Golfer von den Fidschi-Inseln, der einmal die Nummer eins der Welt war, sagte: „Ich würde ja gerne bei Olympia spielen, aber, Sie wissen schon, das Zika-Virus …“ Er fühle sich nicht so recht wohl mit seiner Entscheidung, aber sie stehe nun mal. Weil er aber auch gesagt hat, dass er den Termin mitten im Turnierzirkus der Profis nicht für allzu günstig hält, nimmt man ihm in der Golfszene die Begründung für seine Absage nicht wirklich ab. Er wolle lieber Geld verdienen, als um Ruhm für seine Heimat putten, so der Vorwurf an Singh. Das IOC wird derartige Kommentare mit Wohlwollen lesen. Nichts soll den fest eingeplanten Erfolg der Spiele gefährden, der klamme Staat in Brasilien nicht, die Regierungskrise im Land nicht, Terrorwarnungen nicht, Dopingenthüllungen nicht – und schon gar nicht eine kleine Mücke, die ein Virus überträgt.
Vijay Singh, Golfspieler von den Fidschi-Inseln
Und so wird auch eine Boykottdrohung aus dem westafrikanischen Staat Liberia in der Sportwelt nicht gerade ernst genommen. Das Land, das eine Delegation von 20 Sportlern und Funktionären nach Rio entsenden wollte, hat laut überlegt, ob es wegen der Gefährdung durch das Zika-Virus seine Teilnahme an den Spielen absagen soll. „Es ist festzustellen, dass Brasilien gerade mit der Zika-Epidemie zu kämpfen hat. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrung mit Ebola würde die Entsendung von Athleten in diesen Teil der Welt eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen“, heißt es in einem Schreiben des Finanzministeriums. Weil aber gleichzeitig bekannt wurde, dass sich der Staat die Kosten für das Olympiateam in Höhe von gut 100.000 US-Dollar nicht leisten kann, wird auch dieser Satz wie eine Ausrede gelesen.
Er hat jedenfalls die Diskussionen darüber, wie das Virus nach Brasilien gekommen ist, noch einmal ins Gedächtnis der Sportwelt zurückgerufen. Zunächst kursierte die Theorie, mit den Fans aus aller Welt, die 2014 zur Fußball-WM nach Brasilien gereist seien, habe sich auch das Zika-Virus im Land breitgemacht. Das hätte nur allzu gut in die finsteren WM-Erinnerungen gepasst, die viele Brasilianer nach dem miserablen Abschneiden ihrer Nationalmannschaft bei dem Turnier haben.
Doch nun haben Forscher des Instituto Evandro Chagas in Brasilien herausgefunden, dass es der Confederations Cup, das WM-Testturnier des Internationalen Fußballverbands im Jahr 2013, gewesen sein könnte, mit dem das Virus ins Land gekommen ist. Die Forscher schlüsselten die zeitliche Aufspaltung der verschiedenen Virenvarianten auf. Den Ursprung all dieser Varianten datierten sie dann auf einen Zeitraum, der mit dem Confederations Cup im Sommer 2013 zusammenfällt. Einen Beweis, dass das Virus mit dem Sportzirkus importiert worden ist, haben die Wissenschaftler damit zwar noch nicht geliefert, aber immerhin die Vorlage für eine schöne Verschwörungstheorie. Schuld ist – wieder mal – die Fifa.
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