Gallery Weekend 54 Berliner Galerien halten ihre Räume über das erste Maiwochenende offen. Bevor es losgeht, tobt schon der Bär: Momentan womöglich Welthauptstadt der Kunst
Am Donnerstagabend sitzt man neben Juan Parra Fellové, dem kubanischen Kulturattaché, beim Dinner zu Ehren der jungen Künstlerin Yi Da, die im House of Egorn ausstellt. Die Galerie am Schöneberger Ufer in Berlin wurde vor einem Jahr von der Londonerin Sharon Zhu aufgemacht, sie spezialisiert sich auf chinesische und südamerikanische Kunst. Gleichzeitig feiert die Deutsche Bank ihren Artist of the Year: Basim Magdy, 1977 in Ägypten geboren, lebt heute in Basel und Kairo. In seiner Filminstallation „In the Grave of Intergalactic Utopia“ in der Kunsthalle ist die Zukunft Anlass, kritisch auf die Gegenwart zu schauen.
Schon am Dienstag stellte der große Ausstellungsmacher Kaspar König in der Buchhandlung seines Bruders Walther in der Burgstraße sein Memoirenbüchlein „Das Leben des Kaspar König in 15 Ausstellungen“ vor, das mit größtmöglichem Understatement resümiert: „In Belgien bin ich weltberühmt.“ Am Tag darauf machte Raster-Noton, das Label für elektronische Musik von Carsten Nicolai, Olaf Bender und Frank Bretschneider, mit der Sound- und Lichtinstallation „White Circle“ im Club Berghain Station. Und Andreas Murkudis hängte die Kleider seines Bruders Kostas in einem leer stehenden Raum auf der Potsdamer Straße genauso auf, wie sie im Februar noch im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt zu sehen waren.
Das Gallery Weekend hat noch gar nicht begonnen, und schon, scheint es, tobt die ganze Stadt. Man ist durchaus beeindruckt, welches Feuer an Aktivitäten nur dadurch entfacht wird, dass 54 Berliner Galerien sich zusammengetan haben, um traditionell am ersten Maiwochenende die Ausstellungen in ihren Räumen ein ganzes Wochenenden lang für Sammler, Kuratoren und sonstige Freunde und Funktionäre des Kunstbetriebs offen zu halten.
Bei ersten Kurzbesuchen trifft man auf anspruchsvolle Ausstellungen. Christopher Williams etwa hat bei Capitain Petzel einen „Open Letter to Model No. 1740“ geschrieben, der Teil einer raumgreifenden Installation mit sieben Fotografien, zwei Ausstellungswänden und einer Reihe von Vitrinen ist, in denen man zufällig wieder auf Kaspar König beziehungsweise seinen Bruder Walther stößt, auf Fotos von einem Kunsttumult aus den 1970er Jahren. Williams untersucht im Rahmen seiner Serie von Lektionen über Industriekultur das Thema Familie.
Da ist es dann nur ein Schritt zu Kaspar Königs Sohn Johann König, der erstmals den Garten um seine Galerie in der Kirche St. Agnes zum Schauplatz einer künstlerischen „Gartenschau“ mit Elmgreen & Dragset, Jeppe Hein oder Katharina Grosse macht. Klemm’s stellt mit dem Franzosen Bernard Piffaretti einen konzeptuellen Maler vor, der im kommenden Jahr eine Einzelausstellung im Centre Pompidou haben wird. Piffaretti malt so, dass er die Leinwand mit einem breiten Strich in der Mitte teilt, und was er dann in der einen Hälfte produziert, das kopiert er auf der anderen Seite. In den unvermeidlichen kleinen Abweichungen wie einer einseitigen Farbträne sieht Piffaretti seine Autorschaft akzentuiert. Brigitte Werneburg
Informationen:www.gallery-weekend-berlin.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen