: „Ich bin gar kein Fan“
Verleger Philipp Schreiber führt mit Schreiber & Leser einen Comicverlag in Hamburg-Altona. Übernommen hat er ihn von seiner Mutter, die Übersetzerin ist
von Frank Keil
„Sie fand das Punk und sie hatte Lust drauf“, sagt Philipp Schreiber. 1981 sei das gewesen, in München. Sie, das war seine Mutter Rossi Schreiber. Beruf: Übersetzerin. Und was sie so inspirierend fand, das waren die Comics von Robert Crumb und seinen Undergroundkonsorten.
Rossi Schreiber beschloss, diese nicht nur ins Deutsche zu übertragen, sondern selbst zu verlegen. „Das war damals eine aufregende Sache, heute passt ein Comicverlag relativ normal ins Medienbild“, sagt ihr Sohn.
Seit zehn Jahren ist er bei Schreiber & Leser dabei, hat sich langsam ins Verlagsgeschäft eingefuchst. Schließlich ging der Verlag 2012 ganz auf ihn über, aber seine Mutter ist immer noch dabei. Hauptsächlich übersetzt sie, aus dem Englischen, dem Französischen und zuweilen aus dem Italienischen. Aus Ländern also, in denen der Comic schon lange keine literarisch-bildnerische Ausnahmeerscheinung mehr ist, sondern selbstverständlich zum Kanon der Künste gehört.
Dabei, sagt Schreiber, sei es ja so: „Ich bin gar kein Fan!“ Im Unterschied zu all den Kollegen, die jeder daheim eine große, einmalige und einzigartige Comicsammlung stehen haben, die ganze Regalwände füllt. Natürlich hat er den einen und anderen Comicband im Bücherbord stehen – wenn mal Kinder zu Besuch sind und die was zum Anschauen, vielleicht auch schon zum Lesen brauchen.„Vielleicht ist dieser Abstand zur Szene ganz gesund. In jedem Fall verhindert er, dass ich aus reiner Verliebtheit Bücher verlege, die kein Publikum finden.“
Denn ein Publikum finden, das sollen seine Bücher schon. Müssen sie auch. Wobei Philipp Schreiber trotzdem noch als Produktdesigner Geld verdienen muss – das hat er studiert. „Einen Comicverlag muss man subventionieren oder zumindest mit einer angeschlossenen Grafik- oder Werbeagentur querfinanzieren, das gilt auch für die großen Verlage“, sagt er. Paradebeispiel ist der Comicverlag Panini mit seinen Fußballbildchen.
Schreiber & Leser kauft nahezu ausschließlich Lizenzen bereits erschienener Titel aus dem Ausland, lässt sie übersetzen und bringt sie hierzulande heraus. Selbst einen Autoren entdecken, aufbauen, fördern, ihn in die für den Verlag sachte in die richtige Richtung leiten, das sei nicht so sein Ding, sagt Schreiber: „Ich veranstalte lieber die Party, als das ich mich an die Gitarre setze und sage ‚So Leute, ich spiele euch jetzt mal was vor‘.“
Immerhin brachte sein Verlag die Überraschung des letzten Sommers heraus: den ersten Band von „Corto Maltese“, einer wuchtigen Abenteuerserie von Hugo Pratt, die mit dem Kolonalismus abrechnet, erstmals verlegt 1967. Der Autor ist bereits verstorben, nun ist das Werk neu aufgelegt – mit Erfolg: Die erste Auflage sei innerhalb von zwei Wochen vergriffen gewesen, sagt Schreiber. „Meines Wissens hat es das in der Comicbranche bislang nicht gegeben.“
Daneben legt Schreiber noch einen Band aus der Gesamtausgabe um den Helden „Capricorn“ von Andreas Martens auf den Tisch: ein Zeichner, in der DDR geboren, der in Frankreich zum Star wurde und dessen Capricorn-Serie in die mysteriöse Unterwelt des heutigen New York führt.
„Ich sehe mich als Kurator“, sagt Schreiber. „Wir suchen schöne Sachen für unsere Leser.“ Dabei denkt er an die, die keine Zeit haben, selbst durch die Comicläden zu stromern, die daher jemanden suchen, der ihnen sagt: Das kannst du lesen, das kannst du dir anschauen. „Es ist, wie wenn man abends entspannt ein bisschen Fernsehen gucken will und man schaltet auf Arte, denn dort wird schon was Gutes kommen.“
Philipp Schreiber, Comicverleger
Schreiber interessieren realistische Geschichten „aus den letzten 100 Jahren“, wie er sagt. Eher wenige Chancen haben bei ihm daher Ritter, Römer, Mittelalter, ebenso Elfen und Drachen.Noch weiter weg sind Horror und Splatter. Da schaut er mal kurz rein und das ist es dann.
In der Welt der Bilder sei der Comic vielleicht das, was der Rap für die Musik ist, meint der Verleger. „Es kommen schnell mal Außenseiter zum Zuge, die in der geglätteten Medienindustrie wenig Chancen hätten.“
Schreiber schwärmt von der französischen Szene, in der der Comic seid den 40er-Jahren fest verankert sei. In Deutschland gebe es Comics großzügig gerechnet seit Ende der 70er-Jahre. Eigentlich seit den 80ern. Schreiber hat nicht vergessen, wie ihm nach dem Abi ein Lehrer vordergründig ironisch zuraunte, er sei doch hoffentlich nicht so blöd, seine berufliches Zukunft im Comic zu suchen, da ginge doch mehr.
So war das damals. „Heute“, sagt Philipp Schreiber mit einem feinen Lächeln, „kommen die Deutschlehrer zu mir und beklagen sich, die Kinder würden keine Comics mehr lesen.“
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