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Afrikapop meets EurobassHybride digitale Gegenwart

Mit seinem Album „African Fabrics“ fusioniert Daniel Haaksman Afrika-Pop mit europäischen Produktionsweisen. Beide profitieren voneinander.

Von Berlin nach Harare: Daniel Haaksman Foto: Stefan Korte

Wie klingt eigentlich moderner afrikanischer Sound? Die Frage mag müßig sein, wo sich Popmusik der digitalen Gegenwart per Mausklick um den Globus verbreitet. Doch sie schwingt immer mit, wenn außerhalb des Kontinents über neue Musik aus Afrika gesprochen wird.

Der Berliner Produzent und DJ Daniel Haaksman geht auf seinem neuen Album „African Fabrics“ den umgekehrten Weg: Er interessiert sich für klischeehafte westliche Projektionen auf Afrika. Als Sinnbild dafür gelten Haaksman Waxprints – jene bunt gemusterten Baumwollstoffe, die weithin für authentisch afrikanisch gehalten werden. Doch sie waren eine Erfindung holländischer Textilfabrikanten, welche die Waxprints erst Ende des 19. Jahrhunderts nach Afrika importierten, wo sie sich rasant ausbreiteten.

Die Gestaltung des Covers von „African Fabrics“ durch den Künstler Tobias Rehberger greift jene Dutch Waxprints auf. Rehberger setzt sie als Collage neu zusammen und spielt so mit ihrer Formensprache. Um jene Mischung aus globaler Zeichenzirkulation und lokaler Identitätsstiftung geht es auch auf musikalischer Ebene.

Haaksman hat ein Album aufgenommen, das neue afrikanische Musik-Genres zitiert und in einen Dialog wirft mit Bassmusik-Sounds aus der Nordhalbkugel. Seine Vorgehensweise ist eklektizistisch, ergibt aber ein tolles, mit elektronischen Beats sparsam unterfüttertes Konzeptalbum.

Haaksmans Idee offenbart sich gleich beim Auftakt: „Akabongi“. Dies ist eine Version eines Pop-Hits der südafrikanischen Mbaqanga-Band The Soul Brothers aus den Neunzigern – und klingt in der Neubearbeitung mit dem Rapper Spoek Mathambo aus Johannesburg aber nach jamaikanischer Dancehall.

Lokale Interpretation, globale Zirkulation

Von Johannesburg nach Jamaika: Spoek Mathambo Foto: Stefan Korte

In Afrika seien solche Mixturen längst üblich, sagt Haaksman, weil der Kontinent „in der digitalen Echtzeit angekommen“ sei, wobei es zeitgenössischen Künstlern oft um lokale Neuinterpretationen von global zirkulierendem Pop gehe. „Sie verbinden sich durch Hybridisierung mit der Welt.“ In Mosambik zum Beispiel entwickelte sich aus dem 70er-Jahre-Dancestil Marrabenta mit dem Pandza ein neuer Stil, der Marrabenta aufgreift, digital bearbeitet, mit HipHop und karibischen Reggaeton mischt und dabei häufig regionale Besonderheiten anspielt und lokale Slangs benutzt.

Lokale Identitäten mischen sich mit globalen Zeichen. Auf Kontextualisierung kommt es an, weniger auf Authentizität

Solche lokal-digitalen Hybride inspirieren auch Haaksman. Die Popszene in Europa empfindet er dagegen als „Museum“, wo auch musikalisch alles in Bezug zur Vergangenheit gesehen werde. Afrika sei demografisch viel jünger und vielleicht gerade deshalb musikalisch spannender. „Viele Künstler haben Internet, benutzen die gleiche Musiksoftware wie wir, aber es kommen viel wildere Sachen dabei raus.“

Als Haaksman vor mehr als zehn Jahren sein Label „Man Recordings“ gründete, widmete er sich zunächst noch den neuen urbanen Stilen aus Brasilien und prägte etwa den Genre-Begriff „Baile Funk“ mit. Dann richtete er seinen Blick auf das portugiesischsprachige Afrika und beschäftigte sich vornehmlich mit dem elektronisch geprägten Kuduro-Sound aus Angola – bis er seinen Fokus auf den ganzen schwarzen Kontinent verschob.

Erweiterte Perspektive

Daniel Haaksman

Daniel Haaksman: "African Fabrics" (Man Recordings/Finetunes)

Diese erweiterte Perspektive tut Haaksmans Musik gut. Auf „African Fabrics“ nimmt er die HörerInnen mit auf eine Reise von Südafrika bis Uganda, von Angola über Mosambik bis Simbabwe, kooperiert mit Größen wie dem Kuduro-Erfinder Tony Amado und greift im wunderbar reduzierten Song „Raindrops“ eine traditionelle Marimba-Melodie auf. Zwischendurch hört man Marktgeräusche und einen Straßenchor in Harare – und wie in „Sabado“ und „Querido“ immer wieder melodische Gitarrenriffs.

Hier schließt sich der Kreis des transatlantischen Kulturaustauschs: Denn was nach Highlife klingt, ist tatsächlich der kolumbianische Gitarrist Bulldozer. Dessen Stil ist vom Champeta der Karibikküste seiner Heimat geprägt, in dem sich wiederum westafrikanische Einflüsse spiegeln. Das zeigt nur wieder: Die Frage der Authentizität mag sich erübrigt haben, aber die Kontextualisierung bleibt weiterhin wichtig.

Darum geht es Haaksman auch in der neuen Veranstaltungsreihe „Bomaye!“, die er gerade zusammen mit dem Berliner Journalisten Florian Sievers unter dem Motto „Rural to Urban, Drums to Data“ ins Leben gerufen hat. Monatlich wird im Berliner Acud mit einem Gast über Trends aus Afrika diskutiert und dann auf die Tanzfläche gebeten, für die DJs frische Sounds auflegen – von Coupé-Décalé über Gqom bis Zouk Bass.

Mangas und Mythologie

Zum Auftakt vergangene Woche war der DJ und Regisseur Mbithi Masya von Just A Band aus Nairobi geladen. Deren Musik, eine Mischung aus Soul und Deep-House, ist konventionell – spannender sind ihre von japanischen Mangas wie von afrikanischer Mythologie beeinflussten Videos. In „Usinibore“ sieht man eine von Polizisten bedrängte Frau, Maskierte mit Breakdance-Moves verteidigen sie. Dazu raunt ein Chor: „Don’t tell me what I can and can’t do / I can change the world.“

Um ähnliche Kooperationen, nur auf musikalischer Ebene, geht es Daniel Haaksman mit „African Fabrics“. Und nach den doch etwas nervigen Sounds des „Baile Funk“ kommt seine neues Album angenehm entspannt daher. Flummiartig swingende Beats, bei denen man kaum ruhig sitzen bleiben kann. Musik, die andere Aspekte des schwarzen Kontinents ins Bewusstsein rückt als jene negativen, die man so oft mit Afrika verbindet. Und wer sollte gegen solch hybride Goodtime-Musik schon etwas einzuwenden haben? Die Zeiten sind schließlich schwer genug.

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