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Kolumne Gott und die WeltDer Niedergang des Mittelwegs

Kolumne
von Micha Brumlik

Der Nationalismus triumphiert. Er profitiert von der Demokratieverdrossenheit der abgehängten Wähler. Es fehlt eine Debatte zur sozialen Frage.

Hier demonstrieren die Verdrossenen Foto: dpa

W ie lange nicht mehr, ist Politik auf Erkenntnisse, auf Ursachenforschung angewiesen – auf Antworten auf die Frage, warum in allen westlichen Gesellschaften – von den USA bis nach Polen – der Nationalismus triumphiert und rechtspopulistische Parteien in die Parlamente, ja sogar an die Regierung katapultiert.

Gewiss: Derzeit werden Öffentlichkeit und Politik von Soziologen mit sensiblen Zustandsbeschreibungen konfrontiert: mit Analysen der Bedeutung von Stimmungen im Raum des Politischen, Analysen unterschiedlicher Formen des Unbehagens sowie klugen Erwägungen darüber, dass die digitalisierte, die beschleunigte Welt den Menschen immer erratischer, minder resonant erscheint.

Will man härtere, belastbarere Einsichten, ist man mit klassischer soziologischer Forschung gut beraten, die von der Publizistik kaum, von der professionellen Politik überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde. Im vergangenen Jahr publizierte Armin Schäfer, er forscht am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, eine Studie unter dem Titel „Der Verlust politischer Gleichheit. Warum die sinkende Wahlbeteiligung der Demokratie schadet“.

Darin wird in einem internationalen Vergleich empirisch nachgewiesen, dass es die von den jeweils am schlechtesten gestellten Schichten wahrgenommene, wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft war, die die Wählerinnen dieser Gruppen in zunehmende Distanz zur organisierten Politik trieb. So verzichteten 2013 bei der Bundestagswahl etwa 18 Millionen Wähler darauf, ihre Stimme abzugeben.

Micha Brumlik

lebt in Berlin und arbeitet am Zentrum Jüdische Studien.

„Je länger“ – so Schäfer – „ein Land demokratisch regiert worden war, desto gleichmäßiger fiel die Einkommensverteilung aus – und je egalitärer ein Land war, desto stabiler erwies sich die Demokratie. Doch zumindest der erste Zusammenhang gilt seither nicht mehr. Zuerst in den angelsächsischen, dann in den kontinentaleuropäischen und schließlich auch in den skandinavischen Ländern hat die Einkommensungleichheit in den letzten 25 Jahren zugenommen.“

Wenn dies zutrifft, erweist sich ein großer Teil der Themen, die derzeit das Publikum erregen, als klassische ideologische Ablenkung. Auch die derzeit von Politikern aller Parteien vorgebrachte Floskel, man müsse die Sorgen der Leute, die rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parolen und Parteien zuneigen, ernst nehmen, erweist sich vor diesem Hintergrund als hohl. Tatsächlich wird die Lösung des Problems durch einen nationalen Neoliberalismus keineswegs erleichtert – im Gegenteil: neoliberale Politik, wie die AfD sie will, verstärkt die Demokratieverdrossenheit, damit die Abstinenz weiterer Bevölkerungskreise, die dann wiederum rechtspopulistisch durch Ablenkungsthemen wie den angeblichen Verlust deutscher Kultur oder die Flüchtlingsfrage aufgefangen werden.

Debatten über den Mindestlohn und die Rente in einer alternden Gesellschaft spielen das Thema an, entfalten es jedoch nicht.

Freilich, jenseits der Linken ist derzeit weit und breit keine politische Partei – von der CSU bis zu den Grünen – zu sehen, die diese Thematik ins Zentrum ihres öffentlichen Auftretens stellt. Debatten über den Mindestlohn und die Rente in einer alternden Gesellschaft spielen das Thema an, entfalten es jedoch nicht.

Eine große, offensive Debatte über eine Reform der Besteuerung – von der Vermögen- bis zur Erbschaftsteuer – ist so wenig in Sicht wie eine Debatte über die zunehmende Gentrifizierung von Wohnbezirken bzw. den weiteren Ausbau von Bildungsangeboten für Kinder aus sozial abgehängten Schichten. Nicht, dass es diese Debatten nicht gäbe, nicht, dass fleißige Fachpolitiker dazu keine Entwürfe in ihren Schubladen hätten, ist das Problem.

Es liegt vielmehr darin, dass sich die genannten Parteien scheuen, diese Frage offensiv ins Zentrum ihres Auftretens zu stellen. Das mag bei CDU/CSU und FDP noch verständlich sein, sogar bei den Grünen, die als Partei des jüngeren Bildungsbürgertums für soziale Fragen noch nie eine besondere Sensibilität aufwiesen, bleibt aber bei der SPD unverständlich. Die größte, historisch bedeutsamste und traditionsreichste Partei droht an der Wahlurne von dumpfen, neoliberalen Rechtspopulisten überholt zu werden. Angesichts dieser Lage kann nur noch gelten: „In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod.“

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10 Kommentare

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  • Parteien sind heutzutage auch nur Unternehmen. Die wirtschaftliche Ausrichtung zwingt sie, stets nach der Quantität der Wählerstimmen zu schielen und so zu handeln, dass möglichst der breite Mainstream bedient wird. Also meist das Mittelmaß, die dumpfe Masse. Danach benmessen sich Programm und Wahlversprechen. Wenn man erstmal gewählt ist und am Futtertrog sitzt, ist der Wähler sowieso erstmal egal. Dann gilt es, möglichst viele Vorteile zu ergattern, Opportunismus geht vor Idealen. Sicher, man will wieder gewählt werden, also muss man dem Volk etwas bieten - aber eben nur dem Mainstream. Nicht auffallen, nicht herausragen, weder nach oben noch nach unten. Nicht zuviel wagen, nur das tun, was unbedingt norwendig ist und niemandem übel aufstößt. Immer schön die aktuellen Trends bedienen. Und da derzeit eben Neoliberalismus angesagt ist, folgt man dem.

  • Cui bono?

     

    Schnackeldidackel …duck duck - auch @@ - soweit - gebongt - kann frauman nehmen - hau rein - sowieso -

    JAU SO ISSES.

     

    Aber - entlarvend - a futuro - &! Ja - "Was & Wer - Was tun?" dieser Satz -

    "…Es liegt vielmehr darin, dass sich die genannten Parteien scheuen, diese Frage offensiv ins Zentrum ihres Auftretens zu stellen…" & so ~>

     

    Was? bitte ist - über referierende Analyse hinaus - Was? bitte -

    Meint! - "Es…"? &! "liegt…"

     

    Klar - gemeint ist - daß

    "…jenseits der Linken ist derzeit weit und breit keine politische Partei – von der CSU bis zu den Grünen – zu sehen, die diese Thematik ins Zentrum ihres öffentlichen Auftretens stellt.…"

     

    Aber das grenzt in seiner Trivialtät der Wiederholung des evident Bekannten an Tautologie.

    Denn dann kommt der

    salvierende - aber nur -

    Richtung SPD angeschrägte Satz -

    "…Das mag bei CDU/CSU und FDP noch verständlich sein, sogar bei den Grünen, die als Partei des jüngeren Bildungsbürgertums für soziale Fragen noch nie eine besondere Sensibilität aufwiesen, bleibt aber bei der SPD unverständlich.…"

     

    ff

    • @Lowandorder:

      ff

      Sorry - unverständlich bleibt die sich darin spiegelnde mangelhafte Gedächtnisleistung.

      Zur Erinnerung - noch der schwer bürgerliche Ol Conny Adenauer setzte als Sozialreformer den Arbeitgeberanteil an der Rente gegen

      bräunlichen Mr.Wirtschaftswunder Ludwig Ehrhard ("das kann die Wirtschaft nicht tragen!;) - durch.

      Sozialpartnerschaft als einlullendes Lügengespinst war aber schon at hand. Anschließend begann der Klassenverrat - ja! auch - von CDU/CSU!! Wurden nach der GroKo Kiesinger/Brandt mit dem Abgang Brandts zudem auch in der SPD die Hebel auf Neoliberal - gestellt.

      Dennoch wurde in den 60/70 noch um "Nichterfülltes Grundgesetz" - demokratisch wie sozial politisch gerungen;

      Ja mittels der Idee von Leistungsgrundrechten & gleichen Lebensverhältnisse der Fraternité & der Verteilungsgerechtigkeit angesichts einer Hochkonjunktur & Vollbeschäftigung das Wort geredet.

      (Stehen dagegen doch heute bei Hochkonjunktur allenfalls die Begehrlichkeiten eines zum Kriegsetat denaturierten Wehretats vorrangig in Frage.)

       

      & Die Grünen - schon vergessen Herr Brumlik¿ - standen mit Trampert Ditfurth et al. über das Eigennäpfchen hinaus für die Verfassungsgebote

      Demokratische sozialer Rechtsstaat!

      vulgo Liberté Fraternité Egalité! &

      Mr.Bimbes Kohl denaturierte seine Partei zur Aftermieterversammlung

      (die anderen waren nur weniger effektiv) & marginalisierte den Arbeitnehmerflügel.

      Gleichzeitig wurden unter der Ägide aller Parteien aus den Rentenkasse ala long 1000 Milliarden zweckfremd entnommen & eine hessische Blümchentapete verkündete fußballenwippend gebetsmühlenartig

      "Die Rente ist sicher!" JA JA JA!

       

      ff

      • @Lowandorder:

        fin

        Nennen wirs doch beim Namen -

        BREITBAND BOURGEOISIE -

        Breitband Bougeoisierung der Geld/Arbeit-Habenden als Selbstreferenzielles System zu Lasten des Rests - abgesichert durch Selbstrekrutierung!

        Alles accelerando prima machbar

        Post-Wende, weil den Veränderungen im Geld&Markt-System nach Wegfall des Stabilisierungs&Begrenzungsfaktors

        Ost-West-Konflikts erst recht nicht entsprechend den Vorgaben der Verfassung begegnet wurde & wird.

        All das querbeet Grün wie SPD unter Aufgabe der post WK II bzw post68 selbst berühmten Vorgaben politischen Handelns.

        Ab in die Tonne!!

        Geradezu klassisch zu beekeln an der Figur eines Kretschi - der ja mehrfach deutlich gemacht hat, daß er selbst in der Machtsituation (Flüchtlinge u.a.) die Citoiyen-Werte verrät - Zugunsten - unbedingt zum Bourgeoisen Lager zugehören zu wollen - & Immer die Fleischtöpfe im Auge. Gell!

        (Von "schlotternden Lemuren" wie Palmer Kuhn et al. nicht zu reden!)

         

        (ps Zumindest selbst die PolitikasterWest-Linke muß den Ball

        via innerBougeoisierung flachhalten

        "ich hatte dieses Fraktions-Hauen&Stechen sowas von satt" -

        so kann frauman offenschtlich auch Strafrichter werden)

        • @Lowandorder:

          Sehr gute Arbeit! Dossier vs. Essay.

           

          Vielleicht hätte ja auch Brumlik gerne, soviele Zeilen zugebilligt bekommen. (?)

          • @H.G.S.:

            ;) ? - ja wer weiß - aber -

            Ich weigere mich schlicht - den Altparteien etwas nachzusehen - &

            Den Grünen - gerade in der derzeitigen Situation -

            Schonn mal gar nicht! Gelle-welle!¡;((

      • @Lowandorder:

        ff

        Der Götze der göttlichen Vorsehung - Zum MARKT vertaschenspielertrickst hatte längst bürgerlichparteienquer die Politikasterköpfe erfaßt.

        Befeuert von unkontrollierten Abartigkeiten ala lobbyistischen Bertelsmannstiftungen usw usf &

         

        POST WENDE!

        Krönend post Wende - "Wir sind wieder wer!" - die Lügendröhnung ala Fischer "Nie wieder Auschwitz-gesagt" - mit erster&zweimaliger Kriegsteilnahme - verfassungs-wie-völkerrechtswidrig (Angie wollte gar Mitmarschieren - öh lassen bei Georg W.!!). & Ein Grünling Fritze Kuhn entdeckte realo - das "Gefühlte Hemmnis des Kündigungsschutzes."

        Alles just - bis hin zu one-cabin-house-man GazPromGerd - für dessen Studium seine alleinerziehende Mutter Putzen ging -

        Der vorneweg VerHarzte eben solches bis hin zu "Wer nicht arbeitet - soll auch nicht essen!" KanteMünte.

        Today Grexit/Flüchtlinge - nah genug - bodenlos bekannt. Im Zentrum -

        Trio Infernale - Angie/Gröfimaz/Frozenthomas!

        Dagegen so eine Luftnummer wie Siggi-Plopp vors Loch schieben?

        Gehts noch?

         

        ff

  • Als Gesundheitsminister kämpfte Horst Seehofer während seiner gesamten Amtszeit (1992-1998) gegen die Kostensteigerung im Gesundheitswesen und das Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Gesundheitsstrukturgesetz aus dem Jahr 1993 zwang das Gesundheitswesen zu einem rigiden Sparkurs.

    Die Krise ist nicht neu. Sie fängt im Gesundheitswesen an. Sie kann als ein Modell für das postdemokratische Regieren im Ausnahmezustand betrachtet werden. Immer kostete Gesundheit zu viel, immer mussten alle sparen. Kostenträger und Akteure des Gesundheitswesens leben aber immer noch, trotz aller Schlankheitskuren. Und solange dieser Ausnahmezustand in Schwingungen, in einem Oszillieren gehalten, unterhalten und als Unterhaltung inszeniert wird, sind die großen Erzählungen der Moderne: Demokratie, Aufklärung, Humanismus und Gerechtigkeit im Heimaturlaub. An der Front kämpft wie immer die Armee der neoliberalen Gouvernementalität. Die Pflegenden können aber schon seit Agnes Karl ein Lied davon singen, was es heißt, Verfügungsmasse zu sein.

    Da die Räder rollen müssen für den Sieg, gibt es im 3. Jahrtausend neuen Treibstoff: „Krieg gegen den Terror“, die „Finanzkrise“, die „Griechenlandkrise“ und seit neuestem die „Flüchtlingskrise“. Wer im Ausnahmezustand mehr Demokratie, mehr Menschlichkeit fordert, genau hinsieht, was das eigentlich heißt, lebendige Arbeit, der ist schon fast ein gefährlicher Verräter. Ausnahme will Unschärfe. Schon gar nicht Tiefenschärfe. Das „Bokeh“ könnte ja etwas sichtbar machen.

    „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“. Dieser Ausnahmezustand ist das Gleitmittel des postmodernen Souveräns, sein größter Taschenspielertrick im Netz von Regierung, Medien und Ökonomie ist die Externalisierung dieses Ausnahmezustandes, der immer nicht selbst erzeugt ist, sondern von außen kommt, als das Andere, das Fremde. Für Europa, Deutschland und für das Gesundheitswesen gilt: dass es so nicht ist, wie wir es uns einst erhofft hatten.

  • was ist von einer es-pe-de zu erwarten, die ihren Sarrazin nicht loswird?

    nu?

  • Die SPD hat sich am Trunk des Neoliberalen immer haltloser betrunken und nach und nach selbst vergiftet.- Nun liegt sie logischerweise im Sterben und hat auch noch die Frechheit, sich darüber bigott wundern zu wollen. Ihre diesbezüglich Trinkfestesten- Schröder und Gabriel- stammeln nur noch so vor sich hin (Das selbst behauptete Urgestein Wolgang Clement ist ideologisch schon unter den Tisch gefallen und verhält sich in Sachen Schamlosigkeit jenseits von Gut und Böse.)